Deutsche Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen Mainz-Wiesbaden

Polizeigewalt in Verbindung mit Einschränkung des Demonstrationsrechts

Rede beim Ostermarsch in Mainz, 23. April 2011

von Helmut Eisert, Deutsche Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen Mainz

Liebe OstermarschiererInnen und liebe Anwesende, ich begrüße Euch herzlich im Namen der Deutschen Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen.

Ich habe erhebliche Zweifel, ob weite Kreise der deutschen Polizei überhaupt demokratiefähig sind und ihnen die Achtung der Menschenrechte überhaupt etwas bedeutet. Ich beschränke mich nur auf die deutsche Polizei, weil es da schon genug zu berichten gibt.

Eigentlich überwiegend auf Demonstrationen von linken und autonomen Gruppierungen ist ein martialisches Auftreten der Polizei, sowohl in der Ausrüstung, als auch an der Anzahl von Polizisten zu beobachten. Nicht nur die Absicht der Einschüchterung der DemonstrationsteilnehmerInnen ist dabei zu kritisieren, sondern auch oft die bewusste Provozierung von DemonstrantInnen durch die Polizei.

Ein Beispiel ist der G8-Gipfel in Heiligendamm. Während der Demonstrationen anläßlich des G8-Gipfels in Heiligendamm wurden Provokateure eingeschleust, welche friedliche DemonstrantInnen dazu animieren sollten, mit Steinen zu
schmeißen und andere Rechtsbrüche zu begehen.

Dadurch hatte die Polizei einen Vorwand, mit aller Gewalt in die Menschenmenge hineinzuknüppeln, Tränengas zu sprühen und auch etliche unbeteiligte Demonstrantinnen festzunehmen. Der damalige Innenminister Schäuble konnte nun seine Bilder bekommen. Welche Bilder eigentlich? Die von scheinbar gewaltbereiten DemonstrantInnen. Die anderen Bilder, ich meine die von knüppelnden und Tränengas versprühenden Polizisten wurde nach allen Regeln der Kunst versucht, zu unterdrücken. Reihenweise wurden kritische JournalistInnen entweder des Platzes verwiesen oder festgenommen.

Übrigens: Inhaftierte DemonstrantInnen und JournalistInnen wurden oft in Käfigen gehalten und Rechtsanwälte durften sie nicht aufsuchen.

Ähnliches martialisches Auftreten konnte beim Besuch von G.W. Bush in Mainz im Jahre 2005 und bei der Gegendemonstration gegen den Nazi-Aufmarsch in Wiesbaden-Erbenheim am 8. Mai 2010 beobachtet werden.

Die Ereignisse am 30. September 2010 im Zusammenhang mit Stuttgart 21 sprechen eine eigene Sprache: Es ist verwerflich gegen Kinder und ältere Menschen loszugehen und sie mit Tränengas und Pfefferspray zu verletzen.

Ein Mensch verlor dabei ein Auge.

Zu kritisieren ist auch die fehlende Kennzeichnung der Polizisten mit Namensschildern, insbesondere der behelmten Polizei und der BFE-Einheiten.

Aber für die DemonstrantInnen gilt ein Vermummungsverbot und es wird von der Polizei kräftig abgefilmt und fotografiert.

Beim Besuch von Chinas Staatspräsidenten Jiang Zemin im Jahre 1995 schränkte die Münchener Polizei die Demonstrationsfreiheit massiv ein, obwohl eine Demonstration bereits genehmigt gewesen war. Die DemonstrantInnen wurden optisch regelrecht vom Staatsbesuch abgeschirmt. Dasselbe Phänomen gab es beim G.W. Bush-Besuch 2005 in Mainz.

Rechtsverstöße seitens der Polizei werden, wenn überhaupt erst nach Jahren gerichtlich bestätigt, bleiben aber in der Regel wirkungslos.

Auch bei Bettlern und wohnungslosen Menschen, Menschen mit Migrationshintergrund, Punks, Angehörige ethnischer Minderheiten und Drogenabhängigen, also Personen mit geringer Beschwerdemacht. ist die Polizei auch nicht gerade zimperlich. Oft sind diese Personengruppen verstärkten sogenannten „verdachtsunabhängigen Personenkontrollen“, Schikanierungen, ja sogar verbalen Beleidigungen durch Polizeibeamte ausgesetzt. Setzen betroffene Personen auch nur verbal dem etwas entgegen, wird dies sofort als Angriff gegen die Polizisten gewertet.

Die betroffenen Personen werden sofort festgenommen, oft auch geschlagen und obendrein noch angezeigt, wegen angeblichen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte. Durch die Nähe der Polizei zu Staatsanwaltschaft und Justiz wird dann im „juristischen Nachspiel“ die Rolle von Täter und Opfer in perverser Weise verdreht. Oft haben die betroffenen Personen dann keine Zeugen, welche die Gewalt, die ihnen angetan wurde, zu belegen. Vielmehr ist es so, dass die Kolleginnen und Kollegen unter den Polizisten sich gegenseitig in ihren Aussagen decken.

Bestes Beispiel ist der Prozess um den Tod des Asylbewerbers Oury Jalloh, der in einer Zelle im Polizeigewahrsam in Dessau im Januar 2005 verbrannte.

Wie dies genau geschehen konnte, ist bis heute noch nicht geklärt. Diverse Berichte von Amnesty International, dem Anti-Diskriminierungsbüro Berlin und anderen Organisationen in Deutschland belegen das vorher Gesagte.

Auch die Mainzer Polizei hat diesbezüglich keine reine Weste: Am Nachmittag des 11. Dezember 1980 wurde der Stadtnomade Erwin Tinz in die Weinberge von Nackenheim verschleppt. Dort verstarb er hilflos in der darauffolgenden Nacht, ohne seine Krücke und seine spärlichen Habe. Es war Winter! Der daraufhin folgende Prozess gegen drei Mainzer Polizisten ging durch zwei Instanzen und war eine einzige Farce: Sie wurden wegen Freiheitsberaubung zu einer Geldstrafe von je 40 Tagessätzen verurteilt.

Dies waren nur ganz wenige Beispiele von vielen! Stichworte: Flughafen-Landebahn Nordwest, Castor-Blockaden, Nachttanzdemo Frankfurt, Tod eines Asylbewerbers durch Ersticken bei seiner Abschiebung, usw.

Es ergeben sich folgende Forderungen:

  • - Öffentliche Kontrolle der Polizei
  • - Kennzeichnung von Polizeikräften mit vollem Namen und ihrer Einheit
  • - Beschneidung des Gewaltmonopols der Polizei
  • - Entfilzung von Judikative, Legislative und Exekutive
  • - Jederzeit vollständige Bewegungs- und Arbeitsfreiheit von BeobachterInnen und ReporterInnen bei Demonstrationen.

Fragen stellen ist ja durchaus erlaubt. Deshalb frage ich mich zum Abschluss, ob der Tod von Oury Jalloh in Dessau und Erwin Tinz bei Mainz nur einfache Delikte waren. Fünf Jahre nach dem Tod von Erwin Tinz sprach eine studentische Zeitung von Mord.

Ich danke Euch.

Letztes Update: 23.06.2011, 14:35 Uhr