Deutsche Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen Mainz-Wiesbaden

Gedenken und Gedanken

Zum 30. Todestag von Erwin Tinz –

Installation und Begegnung vor der Alten Universität in Mainz

am Samstag, 11. Dezember 2010, 12-16 Uhr

 Wir gedenken an diesem Samstag unseres Mitbürgers Erwin Tinz. Die Vorgeschichte des Men­schen Erwin Tinz ist weitgehend unbekannt. In seiner Wahlheimat Mainz lebte er als wohnungs­loser Nomade im städtischen Raum. Sein angestammter Platz war vor dem Mainzer Theater. In kalten Nächten legte sich Erwin auf den warmen Abluftschächten eines benachbarten Kaufhauses zum Schlafen. Als Charakter war Erwin vielen Mainzern eine bekannte Persönlichkeit. Er hatte keine Berührungs­ängste, sondern legte seinen Mitmenschen gegenüber eine durchaus offene und kommunikative Art an den Tag. Erwin ergänzte durch seine Präsenz das Stadtbild um einen wichtigen Aspekt. Er versteckte seine Armut nicht. Er war im Grunde eine tägliche Heraus­forderung an das solidarische Sozialverhalten seiner Mitmenschen.

Am Donnerstagnachmittag des 11. Dezember 1980 wurde Erwin von der Mainzer Polizei abge­holt. Seine Krücken und sein Einkaufswagen mit seinem spärlichen Hab und Gut blieben vor dem Theater zurück. Die Polizei fuhr Erwin weit über die Stadtgrenze hinaus, bis nach Nackenheim. Auf einem Nackenheimer Weinbergsweg wurde er am nächsten Morgen tot aufgefunden.

Es tun sich Widersprüche in dieser Geschichte auf. Einerseits, das fröhlich-familiär gestimmte bunte Treiben auf dem Weihnachtsmarkt. Andererseits das einsame isolierte Leid und Sterben eines Mitbürgers.

Zu diesem Vorgang gibt es viele Fragen:

Warum wurde Erwin Tinz abgeholt?

Warum wurde Erwin Tinz im städtischen Raum nicht geduldet?

Warum brachte man ihn so weit weg, bis über die Stadtgrenzen hinaus?

Das Gerichtsverfahren endete nach zwei Instanzen mit Geldstrafen gegen drei Polizisten von je 40 Tagessätzen wegen Freiheitsberaubung. Das Gericht verneinte die Kausalität zwischen der unmenschlichen Handlungsweise der Polizisten und dem Tod unseres Mitbürgers Erwin Tinz.

Erwin Tinz wurde Opfer einer Vertreibungspraxis, die weltweit im städtischen Raum zu beobachten ist. Vielfach wird das städtische Leben bloß noch auf Warenkonsum, die Erbringung von Lohn­arbeit und kommerzialisierten Tourismus ausgerichtet. Unangepasstes Verhalten wird bestraft.

Dies trifft aber nicht nur auf wohnungslose Menschen zu, sondern auf alle Menschen, die sich nicht allein durch das erwünschte verwalterische Raster der Regierenden erfassen lassen.

Warum scheint kein Platz für Menschen wie Erwin Tinz in unserer gesellschaftlichen Mitte da zu sein? Obwohl doch alle EinwohnerInnen diesen Sozialen Platz des öffentlichen Raums selbst­bestimmt mitgestalten können?

Nicht konsequent zu Ende gedachte und unverantwortliche Übergriffe der Polizei stoßen die Tür auf für Gewalt durch Neonazis gegenüber Obdachlosen und anderen schwachen Minderheiten.

Wir können etwas tun.

Lasst uns nachdenken und miteinander diskutieren: an  Erwin Tinz' 30. Todestag am

Samstag, dem 11. Dezember 2010, 12-16 Uhr vor der Alten Universität in Mainz
(Alte Universitätsstr., zwischen  Theater und Schusterstraße).

 Diese Initiative wird getragen von:

  • A.R.A.K.   -   Antirassistischer Arbeitskreis Mainz
  • DFG-VK   -   Deutsche Friedens­gesell­schaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen Mainz

Flugblatt als pdf-Datei

Kontakt und Rückfragen: Georg Schumacher 0179 – 106 20 61

Hintergrundinformationen:

Artikel, Spiegel Nr. 53/1980

www.polizeigriff.org/content/Vom_Polizeigriff_zum_Uebergriff.pdf

www.abendblatt.de/hamburg/article1665966/Wir-werden-von-der-Politik-verheizt-Polizisten-erzaehlen.html

 

Letztes Update: 12.03.2011, 20:42 Uhr