Deutsche Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen Mainz-Wiesbaden

Solidarität? Natürlich! Aber mit wem?

Krieg im Gazastreifen: Tod, Verstümmelungen, Angst und die Zerstörung der Grundlagen eines menschenwürdigen Lebens für alle im Kriegsgebiet lebenden Menschen werden dabei von den kriegführenden Parteien (der israelischen Armee und von den Milizen der Hamas) billigend in Kauf genommen.

Die von Bildern des Elends und der Zerstörung geprägten, emotional aufgeladenen, doch auch undurchsichtigen Verhältnisse dort spiegeln sich hier bei den Reaktionen darauf wider.

Auf der Demonstration in Düs­seldorf am 3.01.09, organisiert von dem bekennenden Antisemiten Karsli, liefen Friedens­aktivistInnen hinter fanatisierten Hamas-AnhängerInnen, wurden Davidsterne mit Hakenkreuzen gleichgesetzt. In Dortmund marschierten Palästinen­serInnen und Nazis (autonome NationalistInnen) zwar in räumlichen Abstand, hetzten aber gemeinsam gegen Israel, ohne sichtbaren Widerspruch auszulösen. In Duisburg wurden Is­raelfahnen aus Häusern längs einer von Milli Görüs organisierten Demonstration von der Polizei gewaltsam entfernt, um Eskalationen zu vermeiden.

Anderseits taten sich die als „links“ verstehenden „Antideutschen“ damit hervor, indem sie uneingeschränkte Solidarität mit Israel einfordern und je­de Kritik an der Kriegsführung als antisemitisch diffamieren.

Hauptsache Solidarität, egal, mit wem oder was? Das kann es nicht sein!


Genaues Hinsehen ist notwendig

 

Der israelische Kriegseinsatz ist der vorläufige grauenhafte Höhepunkt einer Eskalation ge­genseitiger Provokationen mit kalkuliertem Terror gegen die jeweilige Zivilbevölkerung (Ra­ketenbeschuss durch die Ha­mas auf israelische Siedlungen und Städte, israelische Blockade des Gazastreifens mit Unterbindung der Versorgung mit lebensnotwendigen Gütern für die palästinensische Bevölkerung). Wachsender Hass und Radikalisierung auf israelischer und palästinensischer Seite waren vorprogrammiert.

Auf beiden Seiten bestimmt mi­litärisches, nationalistisches und rassistisches Denken das Handeln und nimmt ihre jeweilige Zivilbevölkerung in Geiselhaft. Ein solches Denken und Handeln fordert immer wieder Todesopfer auf beiden Seiten, und das Ziel eines dauerhaften friedlichen Zusammenlebens in gegenseitigem Respekt wird verbaut. Jeder neue Konflikt wird FundamentalistInnen auf beiden Seiten heranzüchten, welche die Logik von Gewalt und Krieg fortsetzen werden.

Trotzdem erkennen immer mehr Menschen in Israel und in den palästinensischen Gebieten, dass der Weg der Gewalt abzulehnen ist und gewaltfreier Widerstand gegen Krieg, Gewalt und Besatzung die einzige Alternative darstellt. Sie arbeiten in mehreren Friedensgruppen in Israel/Palästina, um gemeinsam die Konflikte zu überwinden und Lösungen für ein friedliches Miteinander zu finden.

So haben am 8.1.09, mitten im Krieg, 300 Menschen vor dem Verteidigungsministerium in Tel Aviv für die sofortige Beendigung des Krieges im Gazastrei­fen demonstriert und riefen SoldatInnen zur Verweigerung auf. Israelische SchülerInnen haben sich in der Gruppe Shmi­nistim zusammengeschlossen, um mit ihrer Kriegsdienstverweigerung „gegen die Politik der Besatzung und gegen die Methoden des Militärappara­tes“ zu protestieren. In der Organisation Courage to Refuse wenden sich SoldatInnen und Offiziere der israelischen Armee gegen die Besatzungspolitik der israelischen Regierung.

New Profile ist eine feministische israelische Organisation, die sich gegen eine umfassende Militarisierung der Gesellschaft wendet und Kriegs­dienstverweigererInnen und MilitärdienstentzieherInnen unterstützt. Die Gruppe Yesh Gvul hilft ReservistInnen, die sich weigern, in den besetzten Gebieten zu dienen. Israelischen Kriegsdienstverwei­gererInnen drohen hohe Haftstrafen, israelisch/palästinen­sische Friedensgruppen sind vielfältigen Repressionen ausgesetzt.

In der Solidarität mit diesen Gruppen und Menschen und den Opfern des Krieges und deren konkreter Unterstützung sehen wir als PazifistInnen eine wichtige und zukunftsweisen­de Perspektive, entsprechend der Grundsatzerklärung der DFG-VK: „Der Krieg ist ein Verbrechen an der Menschheit. Ich bin daher entschlossen, keine Art von Krieg zu unterstützen und an der Beseitigung aller Kriegsursachen mitzuarbei­ten.“

Wir werden auch in Zukunft ge­nau hinsehen müssen, mit wem und für was wir uns solidarisch erklären. Es wäre schon besser, wenn einige aus der „linken Be­wegung“ mit emanzipatorischem und antimilitaristischem Anspruch erst einmal etwas nachdenken würden, anstatt re­flexartig in blindem Solidaritätseifer in einen der bereitstehenden Schützengräben (den der Hamas oder den der Freunde israelischer Militärschläge) zu springen und umgehend ganz solidarisch volle Breitseiten auf den „Feind“ abzufeuern.

Dabei liegt eine vernünftige Handlungsmöglichkeit auf der Hand: der gewaltfreie Einsatz für eine gerechte, friedliche und zukunftsträchtige Lösung (nicht nur) im Nahen Osten in solidarischer Unterstützung entsprechender Gruppen/Initiativen vor Ort.

Shalom – Salam

Deutsche Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen, Gruppe Kleve, Januar 2009

Links und Literaturhinweise

Konkrete Unterstützung israelischer Kriegs­dienstverweigererInnen kann geleistet werden über Connection e. V. Konto: 7085700 bei Bank für Sozialwirtschaft BLZ 37020500, Stichwort: Kriegsdienstverweigerung in Israel


Internetadressen von Organisationen, die sich für Frieden in der Region einsetzen:

www.connection-ev.de

www.palsolidarity.org

www.awalls.org

www.newprofile.org

www.yeshgvul.org

www.december18th.org

www.coalitionofwoaman.org

www.iwps-pal.org

www.graswurzel.net

Diese Auflistung hat nicht den Anspruch auf Vollständigkeit, ist nur ein Ausschnitt einer Vielzahl von Organisationen.


Des weiteren empfehlen wir das Buch:

Sebastian Kalicha (Hg.): Barrieren durchbrechen! Israel/Palästina: Gewaltfreiheit, Kriegsdienstverweigerung, Anarchismus, Verlag Graswurzelrevolution 2008, ISBN 978-3-939045-08-3

Dieses Buch versammelt Beiträge von israelischen, palästinensischen und internationalen Ak­tivistInnen, die den Nahostkonflikt von gewaltfrei- antimilitaristischen, feministischen und libertären Standpunkten aus betrachten. Die Ak­tivistInnen skizzieren ein Bild des Konflikts „von unten“, bei dem die Sichtweisen und Aktivitäten der lebendigen und radikalen Graswurzelbewe­gungen – nicht die der weltpolitischen Eliten – die Hauptrolle spielen.


Quellenangabe

Artikel aus Graswurzelrevolution Nr. 336, Februar 2009, www.graswurzel.net

Letztes Update: 18.02.2009, 19:32 Uhr