Deutsche Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen Mainz-Wiesbaden

Rede gegen die Jagd

Ostermarsch in Mainz am 23. April 2011

von Harald Hoos – pro iure animalis

 

Liebe Friedensaktivistinnen,

liebe Friedensaktivisten,

liebe Bürgerinnen und Bürger von Mainz,

liebe Freunde,

das Wort Krieg ist zur Zeit in aller Munde. Wenn wir von Krieg sprechen haben wir Afghanistan und Libyen im Kopf, denken an gewalttätige Auseinandersetzungen z.B. in Ländern Afrikas. Wir denken an Bedrohungen und kommen in diesem Zug vielleicht noch in einem abstrakten Gedankengang auf die Form "Krieg", den die Menschheit z.B. mit der Atomkraft gegen sich selbst führt.

Kaum einer denkt an den erbarmungslosen Vernichtungskrieg, der jeden Tag vor unserer Haustür stattfindet: an die Jagd. In den meisten Köpfen ist Jagd als eine Notwendigkeit präsent, die Notwendigkeit Wildtierbestände in der freien Natur zu regulieren, eben zu "Hegen und zu Pflegen" – so wie uns die Jäger das gemeinhin glauben machen wollen. Bei Jagd denken viele noch an Nahrungsmittelbeschaffung, an den leckeren Wildschwein- oder Rehbraten auf dem Essenstisch.

Dass bei der Jagd sinnlose und brutale Vernichtungsfeldzüge geführt werden, ist nur wenigen präsent. Dazu ein Beispiel von vielen: Der Fuchs unterliegt bei uns in Deutschland einer intensiven Bejagung. Hunderttausende Füchse fallen jährlich der Jagd zum Opfer, um dann in der Kadaverentsorgung zu landen oder auch einfach zur Verwesung oder zum "Ludern" in die Natur geworfen zu werden. "Ludern" bedeutet, dass ein Kadaver oder Kadaverteile ausgelegt werden, um wiederum Artgenossen oder andere Wildtiere zum Erlegen anzulocken.

Hunderttausende Füchse werden abgeschlachtet ohne einen sinnvollen Grund, wider jede Erkenntnis der Wildbiologie. Um die Tollwut auszurotten und den Menschen vor dem gefährlichen Fuchsbandwurm zu beschützen – so begründen die Jäger ihren Ausrottungsfeldzug. Dass Deutschland seit Jahren von der WHO als tollwutfrei eingestuft wird und es wahrscheinlicher ist, beim überqueren einer Straße überfahren zu werden als an den Folgen durch den Befall eines Fuchsbandwurms zu erkranken, bremst die mordlustige Rotte von Männern und Frauen in Grün nicht. Eine Schonzeit für den Fuchs existiert bisher in keinem Bundesland auf Gesetzesebene, lediglich das Saarland hat letztes Jahr eine Schonzeit auf Verordnungsebene eingeführt. Und obwohl das Bejagen von jungenführenden Muttertieren unter Androhung von Strafe verboten ist, werden alljährlich Abertausende mutterlose Jungfüchse  gesichtet. Und das alles, obwohl wissenschaftlich fundierte wildbiologische Erkenntnisse zeigen, dass eine intensive Bejagung zu einer intensiven Vermehrung führt. Ein brutales und absurdes Handeln!

Ein absurdes Handeln, welches von unserer Politik gewollt ist. Die Jäger handeln quasi im Staatsauftrag. Ein Jagdgesetz, das nahezu unverändert aus der finsteren NS-Zeit von Reichsjägermeister Göring stammte, hat heute noch seine Gültigkeit und bildet den rechtlichen Rahmen der Jagd bei uns in Deutschland.

Liebe Freunde, der Fuchs ist nur ein Beispiel für den brutalen Krieg im Wald. Treibjagden auf Wildschweine und Rotwild sind für mich legale Kriegsspiele gewaltbereiteter Personen im Wald. Verletzte angeschossene Mitkreaturen sind das Resultat, die oftmals elend verrecken. Alle Komponenten eines Krieges sind vorhanden. Und erlauben Sie mir den vielleicht zynisch anmutenden Gedankengang: dieser Feldzug unter dem Vorwand der Hege und Pflege mit jährlich ca. 5,5 Millionen Opfern ist in der Begründung genauso absurd, wie die Argumentation unsere Freiheit am Hindukusch verteidigen zu wollen!

Die Betrachtung dieses Krieges vor unserer Haustür kann jedoch nicht bei dem Elend der Wildtiere enden. Wir müssen sehen, dass wir es mit knapp 400.000 gewaltbereiten Personen in Deutschland zu tun haben, die allesamt in Waffenbesitz sind. Tolstoi sagte: "Vom Tiermord zum Menschenmord ist nur ein Schritt".

In unserer Gesellschaft, in der aus vielfältigen Gründen Spannungen zunehmen und die Gewaltbereitschaft im allgemeinen steigt, sehe ich eben diese Waffenbesitzer mit ihrer prädisponierten Bereitschaft zum Töten als ein gefährliches Potential an. Waffen sind dadurch in großer Zahl in unserer Gesellschaft im Umlauf. Diskussionen um diesen Umstand keimen immer wieder nach Gewalttaten und Amokläufen auf. Schärfere Kontrollen werden gefordert – scheitern aber bisher am Widerstand der Jagdlobby. Meine Ängste verstärken sich wenn ich bedenke, dass dem Töten aus Hobby- und Sportgründen, also dem Töten aus purer Lust, keine nennenswerten intellektuellen Fähigkeiten zugrunde liegen können!

Der Staat liefert mit kruden Gesetzen und Vorgaben, die jeder nachvollziehbaren Grundlage entbehren, den Auftrag dazu und die Waffenbesitzer in Lodengrün rennen stolz los im Glauben dem Staat zu dienen und führen im Wald den hehren Auftrag kritiklos aus. Ein Szenario das mich erschaudern lässt. Ein Szenario, welches bei mir die Frage aufwirft, ob es nicht sogar gewollt ist, ein solches Potential von kritiklosen und willfährigen Dienern zu haben, um hier gegebenenfalls andere Aufgabengebiete besetzen zu können.

Um nicht in die Kritik des Pauschalisierens zu geraten: Es gibt in der Masse der knapp 400.000 Jäger in Deutschland auch Einzelne, die ihren Auftrag ernst nehmen. Einzelne, die gleichermaßen wie die Jagdgegner sowohl die staatlichen Vorgaben wie auch das Tun und Handeln ihrer Kollegen kritisieren. Personen aus den Reihen der Jäger, die meinen Ausführungen zustimmen würden und die speziell – um bei meinem Beispiel mit der Fuchsjagd zu bleiben – eben solche Vernichtungsfeldzüge ablehnen. Dies sind u.a. Personen die sich am Genuss des Wildfleisches erfreuen und im Ausselektieren wirklich kranker Tiere einen Sinn sehen. Wenn ich auch diese Argumentation als Tierschützer, Tierrechtler und Vegetarier nicht mittragen kann, so kann ich doch mit diesen wenigen Jägern auf Augenhöhe ins Gespräch treten.

Liebe Friedensaktivistinnen und -aktivisten, ein friedvolles Leben beinhaltet für mich nicht nur den Frieden unter Menschen. Ein friedvolles Leben bedeutet für mich den friedlichen und gewaltfreien Umgang mit allen Kreaturen! Und Frieden bedeutet nicht nur einen Krieg zu verhindern, sondern schon den Nährboden für Gewaltbereitschaft zu entziehen. Und solange bei uns in den Wäldern das Kriegspielen und Vernichtungsfeldzüge legal stattfinden, haben wir diesen Nährboden geschaffen. Aus der Liebe zu den Tieren skandiere ich: "Schafft die Jagd ab" – aber Gleiches kann ich auch aus dem Wunsch nach einer friedvolleren Welt für den Menschen sagen.

Letztes Update: 20.04.2011, 21:42 Uhr