Deutsche Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen Mainz-Wiesbaden

 

Dr. Michael Wilk, Arbeitskreis Umwelt (AKU) Wiesbaden

Rede beim Mainz-Wiesbadener Ostermarsch 2022

Der aktuelle Fokus liegt auf der Situation der Ukraine. Nicht nur der Krieg in Nord- und Ostsyrien wird dabei oft vergessen. Wie manche von euch/Ihnen wissen, halte ich mich seit 2014 immer wieder in Rojava / Nordostsyrien auf. Zuletzt bis vor zwei Wochen. Meine Rede ist auch vor diesem Hintergrund zu verstehen.

 

Gegen Krieg, gegen Autokraten und Imperien! Krieg als Herrschaftsinstrument weltweit ächten!

 

Die russische Armee führt auf Befehl Putins einen mörderischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Die militärische Aggression fordert Tote und Verletzte, zerstört Städte, riskiert atomare Verseuchung durch Angriffe auf AKWs und bringt die Welt an den Rand eines Atomkriegs.

Unsere Solidarität gilt den bedrohten Menschen, den Fliehenden als auch denen, die sich dem Krieg in Russland entgegenstellen oder in der Ukraine Widerstand leisten.

So notwendig Widerstand gegen imperiale militärische Gewalt ist und so sehr wir den aktuellen Druck gegen die russische Regierung, Oligarchen und Banken begrüßen, so sehr lehnen wir jedoch Kriegsrhetorik ab, die nationalistische und autoritäre Töne trägt und die nächsten Kriege schon vorbereitet.

Auch ein 100 Milliarden schweres Aufrüstungspaket für die Bundeswehr und eine NATO, die zu Kriegsverbrechen eigener Mitgliedsstaaten beharrlich schweigt, wie sie z.B. gegenwärtig Erdoğans türkische Armee in Nord-Ostsyrien / Rojava verübt (um nur ein Beispiel zu nennen) ist weder zielführend noch glaubwürdig.
Dazu ein paar Worte.

Der durch nichts zu rechtfertigende kriegerische Angriff Putins führt zu Tod und Blutvergießen Tausender, aber nicht nur das: im eskalierenden militärischen Konflikt wachsen Nationalismus und Chauvinismus und damit der Irrglaube an die moralische Überlegenheit sauberer westlicher Demokratien und an die uneingeschränkte Notwendigkeit immer stärkerer Militärbündnisse. Positionen, die zunehmend die deutsche Politik und auch die mediale Verarbeitung bestimmen. Nationalfahnenwedelnd hat sich Genauigkeit und differenziertes Denken verabschiedet. Begriffe wie die „Russen“, „der Westen“ oder „deutsche Interessen“, lassen vergessen, dass die eigentlichen Unterschiede meist noch immer zwischen reich und arm, zwischen oben und unten verlaufen und nicht zwischen Nationen.

Der nahe Krieg begünstigt eine polarisierende politische Auseinandersetzung. Es ist einfach mit dem Finger auf die Bestialität des Anderen zu deuten, die eigene Verantwortung und die Skrupellosigkeit des eigenen Handelns jedoch auszublenden. Menschenrechte sind Kriterien nur für andere. Am deutlichsten wird dies sichtbar in ehernen Militärbündnissen und Handelsabkommen mit Staaten, die Freiheit und Menschenrechte mit Füßen treten.

Es ist Tatsache: Autoritär-mörderische Herrschaftssysteme dulden keinen Widerspruch, sie terrorisieren, foltern, schrecken auch vor Massenmord nicht zurück. Diese Verbrechen werden jedoch regelhaft von Politik und Konzernen ausgeblendet, wenn es um Handelsbeziehungen, also die Sicherung des Profits und auch des eigenen politischen Vorteils, geht.

Was zählen Morde, Folter, eingesperrte Oppositionelle, Kriegsverbrechen, Ausbeutung und Autokratie, wenn Öl, Gas, Bodenschätze fließen, der Handel läuft, oder Geflohene gestoppt werden “müssen”? Als polit-ökonomische Maxime stehen Gewinn und Macht weit über Menschenrechten. Dafür wird weggeschaut, verleugnet, beschönigt. Alles ist erlaubt, sogar auch mal selbst einen Krieg anzuzetteln, ein Regime auszutauschen, eine gefügigere Regierung einzusetzen (Die Zeit hier reicht nicht um die Militärputsche und kriegerische Interventionen aufzuzählen die von den USA und anderen NATO-Staaten seit 45 ausgingen). Entscheidend ist immer die Gewinnmarge, sie forciert Waffenhandel, Ausbeutung von Mensch und Natur ebenso, wie Toleranz gegenüber Autokraten. Dies galt bis zum Angriff auf die Ukraine auch für Putin. Nur übertrieben werden sollte es natürlich nicht: Krieg sollte nie zu nah ausgetragen werden, auch sind weiße christliche Opfer deutlich unangenehmer als “kulturfremde” oder dunkelhäutige Menschen. Aber selbst wenn ein Handelspartner-Autokrat dies alles missachtet und der Kriegsterror Ströme von Blut vor die eigene Haustüre schwappen lässt, sind Öl und Gas sakrosankte Faktoren, zumindest solange, bis Regime wie Katar und Saudi-Arabien die Lücke schließen können. Dass in diesen Ländern Hinrichtungen, Menschenrechtsverletzungen und Ausbeutung von Arbeitssklav:innen an der Tagesordnung sind, ist jedoch kaum eine Erwähnung wert. Ökonomisch- politische Sachzwänge lassen einen grünen Wirtschaftsminister Habeck rein zweckpragmatisch handeln. Diese Haltung ist Ausdruck einer üblen politischen Doppelmoral, ebenso wie die Danksagung Baerbocks gegenüber dem Erdoğan-Regime, das Menschenrechte in der Türkei mit Füßen tritt und weiter schwere Kriegsverbrechen in Rojava / Nord-Ostsyrien verübt.

Ein weiteres Beispiel ist die Beziehung zu China, dessen totalitäres System von Herrschaft und Überwachung geflissentlich übergangen wird, solange der Handel hochprofitabel läuft.

Die unterschiedliche Beachtung und Bewertung von Kriegsverbrechen und menschenverachtenden Herrschaftsverhältnissen, die zu Tage tretende Doppelmoral, ist nicht nur Ausdruck herrschender Politik.
Längst sind viele Menschen inkludiert in das System des eigenen Vorteils, des Egoismus und des Machterhalts, das vieles verändert, auch die Ebenen der Wahrnehmung und des Empfindens. So werden im Fokus des nahen Kriegs gerade noch die einen Opfer und das himmelschreiende Unrecht gesehen, die anderen, nicht minder leidenden Menschen, die vor entfernteren Kriegen oder Katastrophen fliehen, werden nicht mehr wahrgenommen. Sie sterben im Niemandsland vor Polens Grenze, oder sie ertrinken im Mittelmeer – über 23.000 seit 2014. Sie sterben still und ungesehen. Denn zeitgleich zum Krieg in der Ukraine, jedoch außerhalb des Fokus, eskalieren Konflikte die zum größten Teil Folgen internationaler Ausbeutung, imperialer und postkolonialer Politik sind. Millionen Menschen werden durch Krieg und Zerstörung, durch Hunger, Elend und auch das veränderte Klima zur Flucht gezwungen. Tausende sterben auf gefährlichen Fluchtwegen, im Bemühen, sichere Länder zu erreichen. Sie sind jedoch deklassierte Geflohene zweiter Ordnung, ihnen gegenüber wird eine Politik der Abschottung und Ausgrenzung betrieben, die im wahrsten Sinne des Wortes über Leichen geht.
 
Das muss ein Ende finden. Es ist notwendig die herrschende Verlogenheit und Doppelmoral der Politik in Frage zu stellen. Die sich über alle humanitären Grundsätze hinwegsetzende Maxime von Gewinnstreben darf nicht länger handlungsbestimmend sein.

Suchen wir nach neuen Wegen imperialem Macht- und Herrschaftsstreben, Ausbeutung, Krieg und Gewalt entgegenzutreten. Wir fordern offene Grenzen für alle Menschen, die vor Krieg, Hunger und Gewaltherrschaft fliehen. Es darf keine unterschiedliche Bewertung von Geflohenen geben. Nötig ist Hilfe und Unterstützung für die Menschen, die vor Putins Krieg fliehen, aber ebenso Hilfe und Aufnahme für die Menschen, die noch immer zwischen Polen und Belarus festsitzen, oder diejenigen, die gezwungen sind über das Mittelmeer zu fliehen und an den Zäunen der Festung Europa um ihr Leben kämpfen.
 
Menschenrechte sind unteilbar, gegen Gewalt, gegen Krieg.
Kriegstreiber weltweit ächten- alle Geflüchteten schützen.

 

 

Zum Mainz-Wiesbadener Ostermarsch 2022

Hartmut Bohrer (Ortsvorsteher Mainz-Kastel, AUF/ Wiesbadener Stadtverordnerte, LINKE/ DFG-VK): Aktuelle Aufrüstung in Wiesbaden. Rede beim Mainz-Wiesbadener Ostermarsch 2022 in Wiesbaden

Dr. Gernot Lennert (Landesgeschäftsführer DFG-VK Hessen): Nein zum russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine! Solidarität mit Kriegsdienstverweigerern und Deserteuren! Rede beim Mainz-Wiesbadener Ostermarsch 2022 in Wiesbaden

Bilder vom Mainz-Wiesbadener Ostermarsch 2022 in Wiesbaden

Nachlese Ostermärsche in Hessen 2022

Reden, Videos, Texte zum Ukraine-Krieg

 

Letztes Update: 22.04.2022, 23:09 Uhr