Deutsche Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen Mainz-Wiesbaden

Konferenz: Für eine zivile Verfassung Europas

Friedensbewegung gegen diesen Verfassungsentwurf

Frankfurt, 27.3.

Konferenz am Samstag, 27. März 2004, 10-17 Uhr
Frankfurt, Dietrich-Bonhoeffer-Haus, Lessingstr. 2-4

Anreise

U-Bahn U6 / U7 - Station Westend, von der Bockenheimer Landstraße in die Brentanostraße, an der nächsten Kreuzung geradeaus weiter in die Lessingstraße, an der nächsten Ecke rechts befindet sich das D.-B.-Haus

Kontakte und weitere Informationen

DFG-VK - Gruppe Frankfurt/M
Mühlgasse 13, 60486 Frankfurt/M
Tel.: 069/4 98 03 94
E-Mail: dfgvkffm@t-online.de

Konferenz: Für eine zivile Verfassung Europas

Im Juli 2003 legte der Europäische Konvent den Entwurf eines Vertrages über eine "Verfassung für Europa" vor. Eine öffentliche Diskussion über die Inhalte dieses Verfassungsentwurfes fand mit Ausnahme des anhaltenden Streites über die Stimmenverhältnisse in den Gremien der EU nicht statt. Für die meisten Bürger EU-Europas wird nach den Vorstellungen der Regierungen der EU-Mitgliedstaaten die nächste Europawahl im Juni 2004 die einzige Gelegenheit sein, sich zu dem Verfassungsentwurf politisch zu verhalten. Nach den Vorstellungen der Regierungen werden die Europäischen Regierungschefs spätestens in der zweiten Häfte dieses Jahres ihren Völkern eine (diese) Verfassung geben. Mit dieser Konferenz unternehmen die beteiligten Organisationen der Friedensbewegung den Versuch, die friedenspolitisch problematischen Inhalte dieses Verfassungsentwurfes bekannt zu machen und öffentlich zur Diskussion zu stellen: Die Mitgliedsstaaten der EU

  • verpflichten sich in ihm zu "Kampfeinsätzen im Rahmen der Krisenbewältigung einschließlich Frieden schaffender Maßnahmen" (Art. III-210), etwa durch die 60.000 Mann starke schnelle Eingreiftruppe.

  • Sie verpflichten sich zu militärischen "Missionen ... zur Bekämpfung des Terrorismus ... unter anderem auch durch die Unterstützung für Drittstaaten bei der Bekämpfung des Terrorismus in ihrem Hoheitsgebiet" (Art. III-210).

  • Sie "verpflichten sich, ihre militärischen Fähigkeiten schrittweise zu verbessern" (Artikel I-40), unter anderen durch die Schaffung eines besonders von der europäischen Rüstungsindustrie gewünschten "Europäischen Amtes für Rüstung, Forschung und militärische Fähigkeiten".

  • Einzelne Mitgliedstaaten können eine "strukturierte Zusammenarbeit" im Rahmen der EU beschließen und "untereinander festere Verpflichtungen" eingehen (Art. III-211). Eine solche Koalition der Fähigen und Willigen unterliegt keinerlei Kontrolle durch irgendwelche Gremien der EU.

  • "Über militärische Einsätze der EU entscheidet der Ministerrat" (Art. I-40; III-205). Das EU-Parlament ist von jeder Mitsprache und Mitentscheidung ausgeschlossen. Es ist lediglich regelmäßig auf dem Laufenden zu halten und anzuhören.

  • Eine gerichtliche Kontrolle von Beschlüssen im Bereich der Sicherheits- und Außenpolitik durch den Europäischen Gerichtshof ist qua Verfassung ausgeschlossen (Art. III - 282).

  • Ein Recht auf die Verweigerung von Kriegsdiensten wird lediglich im Rahmen und nach Maßgabe der nationalen Rechte eingeräumt (Art. II-10). Deshalb sieht die Friedensbewegung in diesem Entwurf im Wesentlichen eine verfassungsrechtliche Festschreibung einer bereits seit Jahren betriebenen Militarisierung der Europäischen Gemeinschaft. Mit diesen Strukturen bei der Entscheidungsfindung im Bereich der Außen-, Sicherheits- und Militärpolitik würde sich die Europäischen Union von den Grundsätzen einer parlamentarischen Demokratie und rechtsstaatlicher Kontrolle verabschieden. Auch wenn der Bundestag formal noch selbst über den Einsatz der Bundeswehr entscheiden würde, so wäre die Entscheidung in der Regel durch die Entscheidung des Ministerrats vorgeprägt und damit sachlich ausgehöhlt.

Diesem Verfassungsentwurf erteilt die Friedensbewegung eine entschiedene Absage.

Andererseits begründet der Verfassungsentwurf eine Verpflichtung der Union auf die Förderung des Friedens (Art. I-3 Abs. 1). Die Union kann im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik auch auf zivile Mittel zurückgreifen, und zwar "zur Friedenssicherung, Konfliktbearbeitung und Stärkung der internationalen Sicherheit gemäß den Grundsätzen der Charta der Vereinten Nationen". Die Friedensbewegung fordert anstelle einer Militarisierung der europäischen Politik ein konsequentes Bekenntnis der Union zur zivilen Konfliktbearbeitung und die Bereitstellung der Mittel hierfür. Im 2. Teil unserer Konferenz werden wir deshalb über Ziele, Mittel und Methoden einer zivilen Konfliktbearbeitung sprechen, die in der Friedenswissenschaft und in der Praxis längst entwickelt und erprobt worden sind und die sich dem Primat einer militärisch gedachten Sicherheitspolitik zu entziehen suchen. Wir wollen eine Verständigung darüber erreichen, welche Minimalbedingungen aus friedenspolitischer Sicht an eine zivile Verfassung für Europa zu stellen wären. Hierbei werden die bereits entwickelten Kriterien des Völkerrechts, denen der Verfassungsentwurf widerspricht, ein wesentlicher Beurteilungsmaßstab sein.

Ausrichtende Organisationen:

Attac Deutschland und Region Frankfurt; Attac EU-AG; Deutsche Friedensgesellschaft-Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen, Bundesverband und Gruppe Frankfurt (DFG-VK); International Association of Lawyers Against Nuclear Arms (IALANA); Kooperation für den Frieden; Bundesausschuss Friedensratschlag; Gesprächskreis Frieden und Demokratie Neu-Isenburg; Informationsstelle Militarisierung (IMI); Initiative für den Frieden (IFI-AS); International Physicians for the Prevention of Nuclear War (IPPNW); Pax Christi; Ökumenische Aktion Ohne Rüstung Leben; Bund für Soziale Verteidigung (BSV); DGB-Ortskartell Neu-Isenburg; Evangelische Studierendengemeinde Frankfurt; Pädagoginnen und Pädagogen für den Frieden (PPF)

 

Konferenzverlauf

10.00 Uhr: Grußworte

Forum I: Der Verfassungsentwurf: Militarisierung der EU, Demokratiedefizite

10.05 Uhr: Der Verfassungsentwurf aus friedenspolitischer Sicht Peter Becker / IALANA

10.25 Uhr: Die Militarisierung der EU Tobias Pflüger /IMI/DFG-VK

10.45 Uhr: Die Dominanz des Militärischen über das Zivile in der "Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik"
Heiner Busch / Komitee für Grundrechte und Demokratie

11:05 Uhr: Die Stellung der Kriegsdienstverweigerer nach der Europäischen Verfassung
Ernst Potthoff, Zentralstelle für KDV / Rudi Friedrich, Connection e. V. / Gernot Lennert, DFG-VK Hessen

11.35 Uhr: Kaffeepause

Forum II: Alternativen zur Militarisierung

11:50 Uhr: Historie und konkrete Ansätze für zivile Konfliktbearbeitung
Philipp Boos / IALANA

12:15 Uhr: Zivile Konfliktbearbeitung durch NGOs Anne Jung, Medico International

13.00 Uhr: Mittagspause

Forum III: Was ist zu tun?

14:00 Uhr: Diskussion

15:00 Uhr: Stellungnahmen ausländischer NGO-Vertreter zur Europäischen Verfassung

15:30 Uhr: Kaffeepause

15.45 Uhr: Beratung und Verabschiedung einer Resolution mit friedenspolitischen Forderungen an die EU-Mitgliedstaaten

16:30 Uhr: Aktiv für eine "Friedliche Verfassung." Was ist zu tun?
Reiner Braun / NatWiss

17.00 Uhr: Ende der Konferenz

Abschlussresolution der Konferenz "Für eine zivile Verfassung Europas - Friedensbewegung gegen diesen Verfassungsentwurf" vom 27.3.2004 in Frankfurt.


Für eine zivile Verfassung Europas

Friedensbewegung lehnt diesen Verfassungsentwurf ab

Fakten zur Militarisierung der EU

Der Entwurf einer "Verfassung für Europa" führt zu einer neuen Qualität in der Militär- und Rüstungspolitik der EU: So verpflichten sich "die Mitgliedsstaaten, ihre militärischen Fähigkeiten schrittweise zu verbessern" (Artikel I-40); eine Aufrüstungsverpflichtung, die es in keiner anderen Verfassung gibt. Sie wird unterstützt durch ein neues "Amt für Rüstung, Forschung und militärische Fähigkeiten" (Art. I-40 Abs. 3). Die Mitgliedstaaten verpflichten sich auch zu "Kampfeinsätzen als Unterstützung für Drittstaaten bei der Bekämpfung des Terrorismus in ihrem Hoheitsgebiet" (Art. III-210), also etwa im Hindukusch - ein extrem weit gefasstes Mandat mit völlig offener Grenzziehung. Weiter: "Über militärische Einsätze der EU entscheidet der Ministerrat" (Art. I-40; III-205). Das EU-Parlament ist von Mitsprache und Mitentscheidung ausgeschlossen. Eine gerichtliche Kontrolle der Beschlüsse durch den Europäischen Gerichtshof ist durch die Verfassung untersagt (Art. III-282).

Die Friedensbewegung lehnt eine solche Verfassung ab.

Im Vorgriff auf Art. I-42 haben sich die Staats- und Regierungschefs der EU am 25. März 2004 bereits verpflichtet, alle ihnen "zur Verfügung stehenden Mittel einschließlich der ... militärischen" zu mobilisieren, um terroristischen Bedrohungen "vorzubeugen". Die Friedensbewegung lehnt diesen Beschluss ebenfalls ab: Soldaten taugen nicht zur "Vorbeugung" gegen Anschläge. Diese funktioniert letztlich nur durch die Bekämpfung der Ursachen des Terrors. Krieg ist kein Mittel gegen Terror - Krieg ist Terror.

Der Ministerrat entscheidet autonom, ohne parlamentarische oder gerichtliche Kontrolle. Stimmt Deutschland im Ministerrat zu, sind Bundestag und Verfassungsgericht de facto präjudiziert. Der Rechtsstaat existiert nur noch auf dem Papier.

Nach dem Grundgesetz darf die Bundeswehr aber nur für die Verteidigung oder im Rahmen kollektiver Sicherheitssysteme eingesetzt werden (Art. 25, 87a GG). Über die Ausstattung der Bundeswehr entscheidet der Bundestag als Haushaltsgesetzgeber, über ihre Einsätze nach unserer Verfassungsordnung der Bundestag als zuständiges Organ.

Alternativen zu dem Irrglauben, Militär und Kriege könnten Konflikte lösen, nämlich ein Ausbau der zivilen Konfliktbearbeitung, sind nur im Ansatz vorhanden. Vor allem darf die zivile Konfliktbearbeitung nicht nur der Nachsorge und der nachträglichen Legitimierung von Militäreinsätzen dienen.

Hinzu kommt, dass die Regelung des Rechts auf Kriegsdienstverweigerung den Einzelstaaten vorbehalten bleibt, die EU also die von Staat zu Staat unterschiedlichen Repressionen gegenüber Kriegsdienstverweigerern legitimiert.

Alternativen zur Militarisierung

Die Teilnehmer der Konferenz begrüßen das Ziel des Verfassungsentwurfs, den Frieden zu fördern (Art. I-3). Sie fordern aber anstelle einer Militarisierung ein konsequentes Bekenntnis zur zivilen Konfliktbearbeitung als Ziel der Union und die Bereitstellung der Mittel hierfür. Das unsinnige Amt für Rüstung und Forschung und die Verpflichtung zur Aufrüstung muss gestrichen werden. Stattdessen sollen ein EU-Beauftragter für Rüstungskontrolle, Abrüstung und zivile Konfliktbearbeitung ernannt und folgende Regelungen in der Europäischen Verfassung getroffen werden:
  1. Die Union und die Mitgliedsstaaten verurteilen den Einsatz militärischer Gewalt als Mittel für die Lösung internationaler Streitfälle und verzichten auf ihn als Werkzeug ihrer Politik.
  2. Deswegen sollen die gemeinschaftlichen wie die nationalen militärischen Kapazitäten schrittweise abgebaut werden mit dem Ziel, das Militär abzuschaffen. An seine Stelle treten die Konfliktprävention, die zivile Konfliktbearbeitung und der Aufbau ziviler Kräfte zur Prävention und Schlichtung nationaler wie internationaler Konflikte.
  3. Die Union verpflichtet sich, die Testung und Herstellung, die Lagerung, den Transport und die Verwendung von Atomwaffen und anderen Massenvernichtungswaffen zu unterlassen und sich an derartigen Aktivitäten auch nicht zu beteiligen.
  4. Die Union setzt sich für die vollständige Beseitigung aller Massenvernichtungswaffen unter Kontrolle der Vereinten Nationen ein.
  5. Der Ausschluss einer parlamentarischen Kontrolle und die fehlende Möglichkeit einer gerichtlichen Überprüfung im Bereich der Außen- und Sicherheitspolitik ist mit demokratischen und rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht vereinbar.
  6. Jeder EU-Bürger hat das Recht, jegliche Kriegs- und Kriegsersatz- bzw. -hilfsdienste zu verweigern. Das Verbot von Arbeits- und Zwangsdiensten umfasst auch das Verbot jeglicher Militär- und Militärersatz- sowie Militärhilfsdienstpflichten.
  7. Politisch Verfolgte - auch Kriegsdienstverweigerer und Deserteure - genießen politisches Asyl.
  8. Die Union und die Mitgliedsstaaten fördern eine umfassende Friedenserziehung, den internationalen Jungendaustausch und unabhängige Initiativen zur zivilen Konfliktbearbeitung.

Begründung

Die Ächtung des Krieges als Instrument der Politik ist mit dem Briand-Kellog-Pakt bereits geltendes Völkerrecht. Das Verbot von Massenvernichtungswaffen basiert auf dem Gutachten des Internationalen Gerichtshofs zu Atomwaffen (1996), auf Art. 6 des Non Proliferation-Treaty (NPT) und auf den Konventionen zu biologischen und chemischen Waffen.

Wenn für zivile Konfliktbearbeitung nicht ausreichende Strukturen bereit stehen, ist ein Rückfall auf militärische Mittel wahrscheinlich. Der Versuch, die militärische Stärke der USA zu erreichen, muss scheitern. Die EU sollte stattdessen auf zivile Konfliktbearbeitung setzen. Wir schlagen vor, dass Europa Konfliktschlichtung mit Ausrichtung auf die Etablierung rechtsstaatlicher Strukturen betreibt. Das ist menschlicher und kostengünstiger als militärische Intervention, führt nicht zu Opfern an Menschenleben und zu Zerstörung und schafft hoch qualifizierte Arbeitsplätze.

Die EU-Verfassung geht jeden an: Wir fordern ein Referendum über eine demokratisch entwickelte und rechtsstaatliche Verfassung.

 

Letztes Update: 17.01.2009, 16:50 Uhr