Deutsche Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen Mainz-Wiesbaden

7. Zum Verhältnis Iran - Deutschland

Nach der Urteilsverkündung im so genannten Mykonos-Prozess im April 1997 herrschte erst einmal Eiszeit zwischen Berlin und Teheran. Im Jahre 2000 verbesserten sich die Beziehungen wieder durch den Besuch von Präsident Chatami in Deutschland. 2003 reisten der Menschenrechtsausschuss des Deutschen Bundestages, der Auswärtige Ausschuss und Alt-Bundespräsident Richard von Weizsäcker nach Teheran. Bei Besuchen von Bundesaußenminister Fischer in Teheran im Oktober 2003 und des iranischen Außenministers Kharrazi in Berlin im Mai 2004 wurden offene Punkte bezüglich des iranischen Nuklearprogramms und die Lage in der Region Mittlerer Osten besprochen.

Im wirtschaftlichen Bereich nimmt Deutschland sowohl innerhalb der EU als auch weltweit eine Sonderrolle ein, was die Handelsbeziehungen mit Iran angeht. Seit Jahren schon exportiert Iran in kein Land der Erde so viele Nichterdöl-Produkte wie nach Deutschland (rund 10 Prozent der Gesamtausfuhren). Die Exporte aus Iran nach Deutschland lagen 2001 bei 1,9 Mrd. Euro, 2002 bei 2,2 Mrd. Euro und 2003 bei 2,6 Mrd. Euro. Die Exporte aus Deutschland in den Iran stiegen im Jahre 2003 von ca. 2,7 Mrd. Euro auf ca. 3,0 Mrd. Euro im Jahre 2004.

Mit ihren Hermesbürgschaften gegenüber Iran in Höhe von ca. 1 Milliarde Euro liegt die Bundesregierung weltweit an erster Stelle, was die Absicherung von Handelsgeschäften mit Iran betrifft. Aus deutscher Sicht belegt Iran auf der weltweiten Länderliste deutscher Beziehungen die zweite Stelle bei der Neudeckung von Hermesbürgschaften. Rund 5000 deutsche Unternehmen unterhalten Geschäftsbeziehungen mit Iran, davon ca. 2000 mit eigenen Büros im Iran. Wegen eines großen Aktienpakets im Besitz des Iran drohte ThyssenKrupp auf die "Schwarze Liste" des Pentagon zu kommen. Um drohenden Handelsbeschränkungen zu entgehen, kaufte der Düsseldorfer Konzern im Mai 2003 für mehr als 400 Millionen Euro Aktien zurück - zum Dreifachen des damaligen Kurswertes.

Auch im kulturellen Bereich nimmt Deutschland eine Sonderrolle innerhalb der EU ein, was Intensität und Vielfalt der Kontakte betrifft. In Teheran gibt es das Deutsche Archäologische Institut, die Deutsche Botschaftsschule Teheran und das Deutsche Sprachinstitut. Im Herbst 2003 wurde eine Lektorin des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) eingestellt. Die evangelische Kirchengemeinde in Teheran wird von einem deutschen Pfarrer geleitet. Nach Angaben des Auswärtigen Amtes liegt ein Schwerpunkt der iranisch-deutschen Beziehungen im Wissenschaftsaustausch. Seit Jahrzehnten werden iranische WissenschaftlerInnen an deutschen Hochschulen ausgebildet. Ein wichtiger Meilenstein war 2003 die Unterzeichnung eines Partnerschaftsvertrages zwischen der FH Aachen-Jülich und der Sharif-Universität Teheran zur Einrichtung eines Studienganges der FH in Teheran. Im September 2003 fand das erste Symposium des Deutsch-Iranischen Alumninetzwerkes auf Initiative der Universitäten Kassel, Marburg und Göttingen, unterstützt durch das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung und durch den DAAD, in Teheran statt, ein Folgetreffen im April 2004 in Esfahan.

Ein deutsch-iranischer Mediendialog, an dem sowohl Vertreter der Regierungen und staatlicher Medieninstitutionen als auch Vertreter der Medien selbst teilnehmen, wurde mit einem Treffen in Teheran 2002 begonnen und im Dezember 2003 in Berlin fortgesetzt.

Am Fadjr-Kulturfestival 2004 beteiligte sich von deutscher Seite das Theater Mülheim an der Ruhr. Der Stand der Frankfurter Buchmesse auf der Teheraner Internationalen Buchmesse 2003 hatte regen Zulauf. Auch im Mai 2004 war Deutschland wieder mit einem Stand vertreten. Eine französischdeutsche Kulturwoche in Esfahan wurde im Herbst 2003 erfolgreich durchgeführt. Es gastierten u.a. das Theater im Marienbad und die Musikgruppe FisFüz. Im Mai 2004 fand eine Ausstellung mit Bildern von Gerhard Richter im Teheraner Museum für zeitgenössische Kunst statt (10). Der Ausbau von deutsch-iranischen Städtepartnerschaften, wie z.B. zwischen Esfahan und Freiburg, könnte noch wesentlich stärker vorangetrieben werden.

In Esfahan tagte Ende 2004 der 127. Bergedorfer Gesprächskreis der Körber-Stiftung unter Vorsitz des früheren Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker, der u.a. mit Christoph Bertram, Leiter der regierungsnahen Stiftung Wissenschaft und Politik, Gespräche mit iranischen Experten und Entscheidungsträgern zum Thema "Kultur und internationale Politik" führte. Der westliche Begriff "Freiheit" stehe in Iran für Zügellosigkeit, so dass Forderungen nach mehr Freiheit des Westens in der iranischen Gesellschaft auf Unverständnis stießen, meinte bei dieser Tagung Ahmad Naheebzadeh von der Universität in Teheran. Sein Kollege Homayra Moshirzadeh erklärte, "eine gemeinsame Wertebasis könne nur in einem `gleichberechtigten und gewaltfreien Dialog´ zwischen den Kulturen entstehen, `in dem alle Seiten offen für die Argumente des anderen sind´" (11).

Viel über Menschenrechtsfragen und innergesellschaftliche Prozesse hat die iranische Friedensnobelpreisträgerin Schirin Ebadi zu sagen, der zahlreiche Einladungen nach Deutschland und auch in andere Länder zu wünschen sind.

Beispielhaft und unterstützenswert ist das Engagement des in Deutschland lehrenden Politikwissenschaftlers Mohssen Massarrat, der im Iran durch die Förderung des Ausbaus erneuerbarer Energien das Land von fossilen wie auch atomaren Energieträgern unabhängiger machen möchte. Das deutsche Orient-Institut in Hamburg unter der Leitung von Professor Udo Steinbach verfügt über sehr gute Kontakte in den Iran und veröffentlicht regelmäßig aktuelle Informationen über die Situation im Iran.

Das Fußballfreundschaftsspiel Iran gegen Deutschland am 9.10.2004 in Teheran war weit mehr als ein Sportereignis. Wegen des humanitären Engagements des deutschen Fußballbundestrainers und der großen Sympathien im Iran für Verbindungen nach Deutschland geriet das Ereignis zu einem Politikum. Weitere Sport- und Kulturveranstaltungen auch auf kleinerer Ebene können die gegenseitigen Beziehungen vertiefen und in Krisenzeiten tragfähiger machen.

Letztes Update: 03.11.2007, 13:06 Uhr