Archiv > 2007 > Veranstaltungen mit Christoph Rosenthal > Sa. 21. April: Seminar: Die Entwicklungsgeschichte der Zivilisation als die Entwicklungsgeschichte des Militarismus
FrankfurtSamstag, 21. April 2007, 11 - 16 hSeminar
Frankfurt a.M., DFG-VK, Mühlgasse 13
Ein Seminar des Bildungswerks Hessen der DFG-VK
Die wissenschaftliche Forschung steht heute vor der Einsicht, dass das immer noch vorherrschende WeltGeschichtsBild unhaltbar geworden ist. Der Beginn der zivilisatorischen Kultur vor ca. 10.000 Jahren war nicht der Umschlag der biologischen Evolution in die Kulturentwicklung. Vielmehr entstand die Zivilisation als Kultursurrogat als Kultkomplex mit Technokratie und "Theater" (mit Rollenverhalten als Wirklichkeitssimulation), weil man aufgrund von unlösbaren Kriegsproblemen, die ursprünglich aus schwerwiegenden Ressourcenverlusten am Ende der Eiszeit entstanden (ganze Tierarten starben hier aus), nicht mehr zu wirklicher Kultur in der Lage war. In dieser soziokulturellen Diffusität gelang es einer Elite, einige Reste an Kultur zu retten und sogar - typischerweise technologisch und als "Chefs" - weiter zu entwickeln. Doch die zivilisatorische Kultur blieb insgesamt in dem Problem des Versuchs (!) der Existenzsicherung stecken.Es ist die Tragik, dass die zivilisatorische Notstandskultur mit ihrem falschen Bewusstsein im Wesentlichen dazu unfähig war, die erreichten Verbesserungen in die Rekultivierung von dem, was tatsächlich unter Kultur zu verstehen ist, zu investieren. Der tatsächliche menschlich-kulturelle Fortschritt verdankt sich hier durch die Geschichte hindurch den meist abgelehnten oder gar bekämpften Aktivitäten von Persönlichkeiten, Minderheiten und "rückständigen Kulturen". Die historische Entwicklung der Zivilisation bleibt die Entwicklung der Notstandskultur, die nicht nur in der Ausdehnung der Notstandsverhältnisse besteht, sondern dabei auch in eine selbstverschuldete Überlebens-Kampf-Kultur umschlägt, die mitnichten das biologische Prinzip des "survival of the fittest" repräsentiert. Die zivilisatorischen Kulturen sind mit ihrem Mangel an Kultur vielmehr von Unfitness: von der Zerstörung der ökologischen Lebensgrundlagen und einem Hochmaß an selbst gemachten Problemen geprägt (wie heute etwa in der Arbeitsorganisation und der "Ökonomie") und auch regelmäßig im Zusammenbruch geendet.
Von dem historischen Ausgangspunkt ist das neusteinzeitliche Kulturkonzept "Zivilisation" wohl von dem Bemühen charakterisiert, Frieden zu schaffen. Doch von seiner praktischen Realität her bedeutete es vielmehr die Unterdrückung von Konflikten, und es wird nun deutlich, dass darin eine entscheidend andere Logik liegt.
Soweit es sich historisch nachvollziehen lässt, zeigt sich, dass dies von Anfang an, nachdem sich der erste zivilisatorische Kultkomplex durchgesetzt hatte, in expansive vereinnehmende Befriedungsaktivitäten umschlug. So ist die Zivilisation die Fortsetzung des Kriegs mit anderen Mitteln ("Erziehung", "Ökonomie"), das Kulturkonzept der "strukturellen Gewalt", und trotz ihrer durchaus ernst gemeinten Absicht - gerade deswegen - ist sie insgesamt historisch mit der Entwicklungsgeschichte des Militarismus bis hin zu Superstaaten, Atomraketen und weltweit operierenden Friedens- oder Polizeitruppen identisch. Die Realität der Utopie des zivilisatorischen Weltfriedens beginnt nun in der "Globalisierung" deutlich zu werden (wofür die gesamte zivilisatorische Geschichte, etwa die Entwicklung des Alten Orients oder die "Pax Romana", bestes Anschauungsmaterial liefert).
Wir stehen historisch an einem Punkt, an dem nun die Tragik der ursprünglich absolut konstruktiv gemeinten Strategie langsam unübersehbar wird. Freilich haben wir mit den nun erreichten Einsichten wohl historisch erstmalig wirklich die Chance, aus den historischen Problemen und Fehleinschätzungen herauszukommen. Diese neuen Einsichten aus den Human- und Geschichtswissenschaften und aus Kulturprojekten gilt es nun fruchtbar zu machen ...Referent: Christoph Rosenthal (49), Kulturologe/ Historiologe, beschäftigt sich seitEnde der 70er Jahre mit der friedenspolitischen Auseinandersetzung (Ex-Totalverweigerer mit Buchveröffentlichungen; ehem. Geschäftsführer der "Initiative Gegen die Wehrpflicht") und mit kulturellen Neuentwicklungen (Forschung, Kunst, Theater)Anmeldung (nicht erforderlich, aber hilfreich) erbeten an Bildungswerk Hessen der DFG-VK, Mühlgasse 13, 60486 Frankfurt.dfgvkhessen@t-online.de
Die Veranstaltung ist rauchfrei.
Hinweis für RollstuhlfahrerInnen: Es sind zwei Stufen und eine 80 cmbreite Tür zu überwinden. Rollstuhlgerechte Toiletten in mehr oder weniger zumutbarer Entfernung vorhanden.