Deutsche Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen Mainz-Wiesbaden

Die Entwicklungsgeschichte der Zivilisation als die Entwicklungsgeschichte des Militarismus

Frankfurt
Samstag, 21. April 2007, 11 - 16 h
Seminar

Frankfurt a.M., DFG-VK, Mühlgasse 13

Ein Seminar des Bildungswerks Hessen der DFG-VK

Die wissenschaftliche Forschung steht heute vor der Ein­sicht, dass das immer noch vorherrschende WeltGe­schichtsBild unhaltbar geworden ist. Der Beginn der zivi­lisatorischen Kultur vor ca. 10.000 Jahren war nicht der Umschlag der bio­logischen Evolution in die Kulturent­wicklung. Vielmehr entstand die Zivilisation als Kultur­surrogat als Kultkomplex mit Technokratie und "Theater" (mit Rollenverhalten als Wirklichkeitssimulation), weil man aufgrund von unlösbaren Kriegsproblemen, die ur­sprünglich aus schwerwiegenden Ressourcenverlusten am Ende der Eiszeit entstanden (ganze Tierarten starben hier aus), nicht mehr zu wirklicher Kultur in der Lage war. In dieser soziokulturellen Diffusität gelang es einer Elite, einige Reste an Kultur zu retten und sogar - typischer­weise technologisch und als "Chefs" - weiter zu entwi­ckeln. Doch die zivilisatorische Kultur blieb insgesamt in dem Problem des Versuchs (!) der Existenzsicherung ste­cken.

Es ist die Tragik, dass die zivilisatorische Notstandskultur mit ihrem falschen Bewusstsein im Wesentlichen dazu unfä­hig war, die erreichten  Verbesserungen in die Rekul­tivierung von dem, was tatsächlich unter Kultur zu ver­stehen ist, zu investieren. Der tatsächliche menschlich-kulturelle Fortschritt verdankt sich hier durch die Ge­schichte hindurch den meist abgelehnten oder gar be­kämpften Aktivitäten von Persönlichkeiten, Minderheiten und "rückständigen Kulturen". Die historische Entwick­lung der Zivilisation bleibt die Entwicklung der Not­standskultur, die nicht nur in der Ausdeh­nung der Not­standsverhältnisse besteht, sondern dabei auch in eine selbstverschuldete Überlebens-Kampf-Kultur umschlägt, die mitnichten das biologische Prinzip des "survival of the fittest" repräsentiert. Die zivilisatorischen Kulturen sind mit ihrem Mangel an Kultur vielmehr von Unfitness: von der Zerstörung der ökologischen Lebensgrundlagen und einem Hochmaß an selbst gemachten Problemen geprägt (wie heute etwa in der Arbeitsorganisation und der "Öko­nomie") und auch regelmäßig im Zusammenbruch geen­det.

Von dem historischen Ausgangspunkt ist das neustein­zeitliche Kulturkonzept "Zivilisation" wohl von dem Be­mühen charakterisiert, Frieden zu schaffen.  Doch von sei­ner praktischen Realität her bedeutete es vielmehr die Unterdrückung von Konflikten, und es wird nun deutlich, dass darin eine entscheidend andere Logik liegt.

Soweit es sich historisch nachvollziehen lässt, zeigt sich, dass dies von Anfang an, nachdem sich der erste zivilisatorische Kultkomplex durchgesetzt hatte, in expansive vereinneh­mende Befriedungsaktivitäten umschlug. So ist die Zivili­sation die Fortsetzung des Kriegs mit anderen Mitteln ("Erziehung", "Ökonomie"), das Kulturkonzept der "strukturellen Gewalt", und trotz ihrer durchaus ernst ge­meinten Absicht - gerade deswegen - ist sie insgesamt historisch mit der Entwicklungsgeschichte des Militaris­mus bis hin zu Superstaaten, Atomraketen und weltweit operierenden Friedens- oder Polizeitruppen identisch. Die Realität der Utopie des zivilisatorischen  Weltfriedens be­ginnt nun in der "Globalisierung" deutlich zu werden (wo­für die gesamte zivilisatorische Geschichte, etwa die Ent­wicklung des Alten Orients oder die "Pax Romana", bes­tes Anschauungsmaterial liefert).

Wir stehen historisch an einem Punkt, an dem nun die Tragik der ursprünglich absolut konstruktiv gemeinten Strategie langsam unübersehbar wird. Freilich haben wir mit den nun erreichten Einsichten wohl historisch erstma­lig wirklich die Chance, aus den historischen Problemen und Fehleinschätzungen herauszukommen. Diese neuen Einsichten aus den Human- und Geschichtswissenschaf­ten und aus Kulturprojekten gilt es nun fruchtbar zu ma­chen ...

Referent: Christoph Rosenthal (49), Kulturo­loge/ Histo­riologe, beschäftigt sich seit
Ende der 70er Jahre mit der friedenspolitischen Auseinandersetzung (Ex-Totalverwei­gerer mit Buchveröffentlichungen; ehem. Geschäftsführer der "Initiative Gegen die Wehrpflicht") und mit kulturel­len Neuentwicklungen (Forschung, Kunst, Theater)


Anmeldung (nicht erforderlich, aber hilfreich) erbeten an Bildungswerk Hessen der DFG-VK, Mühlgasse 13, 60486 Frankfurt.
dfgvkhessen@t-online.de

Die Veranstaltung ist rauchfrei.

Hinweis für RollstuhlfahrerInnen: Es sind zwei Stufen und eine 80 cm
breite Tür zu überwinden. Rollstuhlgerechte Toiletten in mehr oder weniger zumutbarer Entfernung vorhanden.

Letztes Update: 03.11.2007, 13:06 Uhr