Deutsche Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen Mainz-Wiesbaden

4. Zum Verhältnis Iran-USA

Der Sturz des demokratisch gewählten iranischen Ministerpräsidenten Mossadeqh, der die Ölindustrie verstaatlichen wollte, durch die CIA 1953, die Repression des US-gestützten Schahregimes, die Geiselnahme in der US-Botschaft 1979 und die missglückte US-Geiselbefreiungsaktion, die Unterstützung der US-Regierung für Saddam Hussein während des iranisch-irakischen Krieges 1980-88 sowie die anhaltenden US-Sanktionen gegenüber Iran werfen bis heute lange Schatten auf das amerikanisch-iranische Verhältnis. Im Januar 2005 forderte die Washingtoner Regierung alle Unternehmen mit amerikanischem Kapital auf, sich innerhalb eines Monats aus Iran zurückzuziehen, auch dann, wenn ihre Geschäfte nicht gegen die US-Sanktionen verstoßen. Einer der Hauptvorwürfe von Präsident George W. Bush an das Regime in Teheran besteht darin, nicht gewählt zu sein. Dass Iran seit einiger Zeit Erdölexporte nicht mehr in US-Dollar, sondern in Euro abrechnet - ähnlich wie einige andere "Schurkenstaaten" - missfällt der US-Regierung, ebenso eine geplante iranisch-indische ErdgasPipeline über Pakistan, die Washington zu verhindern sucht.

Während in der Israel-Palästina-Frage Washington und Teheran konträre Ziele verfolgen, haben beide Interesse an einem stabilen Irak: Iran, weil das Land Sicherheit an der Westgrenze braucht und einen Zerfall des Nachbarn fürchtet, der insbesondere für die Kurden im Iran erhebliche Konsequenzen hätte, Washington, weil die US-Regierung die eigenen Truppenverluste reduzieren und die finanziellen Kosten der Besatzung verringern möchte. Deswegen unterstützte die iranische Regierung die jüngsten irakischen Wahlen nach Kräften - natürlich auch im eigenen Interesse an einer bald von den USA unabhängigen schiitischen Regierung. Die engen iranisch-irakischen Verbindungen tragen für die Regierung in Teheran bereits jetzt dazu bei, die Gefahr eines US-Angriffs auf die eigenen atomaren Anlagen zu reduzieren. Der im irakischen Nadschaf äußerst einflussreiche Goßajatollah Ali al Sistani ist gebürtiger Iraner, der Chef der iranischen Justiz, Schahrudi, gebürtiger Iraker. Wegen der vielfältigen familiären Bindungen über die Landesgrenzen Iran-Irak hinweg und dem enormen Einfluss Teherans auf die schiitische Bevölkerungsmehrheit im Irak könnte bei einem US-Angriff auf Iran die Regierung in Teheran die "irakische Karte" spielen: Würde Teheran sich nicht wie bisher relativ moderat gegenüber der US-Besatzung verhalten, sondern die Kämpfer gegen die US-Besatzung im Irak zum verstärkten Widerstand auffordern und unterstützen, würde die Zahl der toten US-Soldaten vermutlich neue Rekordhöhen erreichen.

Immer wieder gab es in der jüngeren Vergangenheit Ansatzpunkte für eine Entspannung in den usiranischen Beziehungen, die sogar zwischenzeitlich die Aufnahme diplomatischer Beziehungen und die Aufhebung der US-Sanktionen in greifbare Nähe zu rücken schienen. In einem TV-Interview 1998 lobte Staatspräsident Chatami die "großartige amerikanische Zivilisation" und entschuldigte sich indirekt für die Geiselnahme 1979 in der US-Botschaft. Nach den Anschlägen vom 11.9.2001 gab es in Teheran spontane proamerikanische Demonstrationen. Washington und Teheran eint der Kampf gegen die Taliban und das Netzwerk al Qaida. Mehrere hochrangige Mitglieder des Terrornetzwerkes stehen im Iran unter Hausarrest. Für die Bombardierung von Qaida-Stellungen in Afghanistan lieferte die Regierung in Teheran logistische Unterstützung. Im Oktober 2002 befürworteten 70 Prozent der iranischen Bevölkerung die Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen mit den USA. Die Regierung in Teheran hatte die Umfrage in Auftrag gegeben, bei der auch herauskam, dass 40 Prozent der Befragten die seinerzeitige Politik der USA gegenüber Iran sogar nachvollziehen konnten. Die Mullahs reagierten äußerst verärgert auf diese Ergebnisse und ließen die Direktoren der beteiligten Meinungsforschungsinstitute verhaften. Unter den Festgenommenen war auch mit Abbas Abdi, der die Besetzung der US-Botschaft 1979 geleitet hatte, ein prominentes Mitglied der derzeitigen Reformbewegung. Im Frühjahr 2003 traf sich Abbas Abdi mit einer ehemaligen US-Geisel in Paris und reichte ihr vor laufender Kamera die Hand zur Versöhnung (7). Iran erkannte 2003 - zum Wohlgefallen Washingtons - sehr schnell die Übergangsregierung im Irak an. Seit langem gibt es informelle Kontakte zwischen Teheran und Washington. Nach dem Erdbeben von Bam 2003 mit mehreren zehntausend Toten leisteten die USA humanitäre Hilfe - und Teheran ließ dies zu. Für eine Deeskalation des derzeitigen Konfliktes oder gar eine Beendigung der Eiszeit gäbe es genügend Anknüpfungspunkte.

Letztes Update: 03.11.2007, 13:06 Uhr