Deutsche Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen Mainz-Wiesbaden

Dr. Gernot Lennert: Die Bundeswehr im Krieg

Dr. Gernot Lennert ist Mitglied der Deutsche Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) Gruppe Mainz

„Die Bundeswehr ist heute weltweit im Einsatz.“ So prahlt das militärpolitische Weißbuch der Bundesregierung von Ende 2006. Mit den Tornado-Flugzeugen in Afghanistan ist es noch offensichtlicher geworden: Die Bundes­wehr führt Krieg, auch wenn das gerne verharmlost oder verschwiegen wird.

Bei Beginn des Kosovo-Kriegs verkündete Schröder: „Wir führen keinen Krieg.“ Im Januar erklärte der CDU-Abgeordnete Ruprecht Polenz: „Wir führen in Afghanistan keinen Krieg, sondern wir sind von der afghanischen Regierung eingeladen worden und arbeiten auf der Basis eines UN-Mandats.“ Als ob Aufstandsbekämpfung und Krieg im Namen der UN kein Krieg wären. „Einsatz von Waffengewalt im Rahmen streitkräftegemeinsamer vernetzter Operationen hoher Kampfinten­sität“ heißt das im erwähnten Weißbuch. Gerade bezüg­lich Afghanistans sprach man gerne von „bewaffneter Sozialarbeit“ und „Friedenseinsatz“. Doch von Anfang an war das Kommando Spezialkräfte in Süd-Afghanistan an der Seite der US-Truppen bei den brutalsten Kämpfen dabei. Der Krieg wird allmählich immer offener betrieben, schließlich drängen die Verbündeten: „Die Deutschen müssen das Töten lernen".

Im Weißbuch heißt es auch: Die „Vertei­digungs­linie wird hierbei oft im Ausland liegen“. Die Bun­deswehr soll für „Rohstoffzufuhr und sichere Transportwege“ sor­gen. „Die Bundeswehr sichert die außenpolitische Handlungsfähigkeit.“ Die Militarisierung der Außenpolitik ist unübersehbar. Mit sogenannten „Stabilisierungseinsät­zen“ werden gegebenenfalls ganze Länder besetzt.

Wichtig ist die Einbettung in die EU, die in Kongo-Kinshasa als Probelauf ihren ersten eigenständi­gen Militäreinsatz durchgeführt hat, um einem der Kriegsherren eine formaldemokratische Legiti­mation zu verschaffen. Hier geht es um Stabilität für die Ausbeutung der Rohstoffe. Der EU-Ver­fassungsentwurf gebietet die permanente Aufrüstung. Diese Verfassung will Merkel durchsetzen. Zusätzlich zu den jetzigen EU-Schlachtgruppen fordert sie eine EU-Armee.
Ein Schlüsselwort ist die Entgrenzung.

Die geographische Entgrenzung: Die ganze Welt ist zum Einsatzgebiet der Bundeswehr geworden, und sie soll auch immer mehr im Innern eingesetzt werden.

Die inhaltliche Entgrenzung: Der Begriff Sicherheit wird allumfassend verstanden, so dass auch z.B auch Rohstoffe und Energie mit militärischen Mitteln beschafft werden.

Die rechtliche Entgrenzung: Das internationale Recht soll so „refor­miert“ werden, dass „präventives Eingreifen“ erlaubt wird, also illegaler An­griffskrieg. Rechtliche Unterschiede zwischen Krieg und Frieden, Militär und Polizei werden verwischt.

Tabus und Hemmungen werden abgebaut: Unter Schröder wurde „die Ent­tabuisierung des Militäri­schen“ erreicht, unter Merkel fiel ein weiteres Tabu: der Ein­satz im Nahen Osten.

Deutschland werde am Hindukusch verteidigt, heißt es. Was kommt dabei heraus? Allein im Jahr 2002 haben islamistische Terroristen mehr Deutsche ermordet als die Rote Armee Fraktion in 27 Jahren. Deutsche müssen verstärkt damit rechnen, Entfüh­rungsopfer zu werden. Aber damit können die Regierenden offenbar ganz gut leben. Es sterben Menschen in den Kriegsgebieten und bei Terroranschlägen in Zügen, Bussen und Bahnhöfen und an Orten des Massentourismus, nicht aber die wohlbehüteten Regierenden und Reichen, für die sogar halbe Städte und ganze Landstriche abgesperrt werden, wenn sie sich zu Konferenzen treffen.

Es ist eine typische Spirale der Gewalt: Westlicher Staatsterror vor allem gegenüber Ländern des Nahen Ostens bringt schon seit Jahrzehnten Gegenkräfte hervor oder fördert sie. Der westliche Bombardierungster­rorismus verstärkt den Terrorismus, den er angeblich bekämpfen will, der wiederum die willkommene Rechtfertigung für profitable Rüstungsge­schäfte und den Ausbau des Überwachungsstaats liefert.

Der Sozialabbau erweist sich als wirksame Rekrutie­rungs­hilfe. Der Druck auf Arbeitslose, sich zur Bundes­wehr zu melden, wächst. Die Bundeswehr wirbt massiv in Schulen und über Arbeitsagenturen und Job-Center. Langzeitarbeitlosen unter 25 kann sehr leicht die Unterstützung gestrichen und die eigene Wohnung ver­weigert werden. Noch kann sich die Bundeswehr über Zulauf von Freiwilligen vor allem aus Ost­deutschland kaum beklagen. Aber schon werden jugendliche Hartz-IV-Empfänger gezwungen, an Bundeswehrrekrutierungsveranstaltungen teilzunehmen. Während viele europäi­sche Staaten von Portugal bis Rumänien den Zwang zum Kriegsdienst abgeschafft oder ausgesetzt ha­ben, hält die CDU/CSU/SPD-Koalition daran fest. Die Re­gelun­gen für Zurückstellungen wegen Ausbildung sollen sogar wieder verschärft werden. Man fürch­tet offenbar, dass sich trotz Massenarbeitslosigkeit nicht genügend Freiwillige fürs Töten und Sterben finden könnten. Bisher überstieg die Todesrate bei den Auslandseinsätzen der Bundeswehr nicht das im Inland Übliche. Das wird sich ändern. Immer mehr werden traumatisiert aus den Kriegen zurück­kommen.

Als das Weißbuch veröffentlicht wurde, empörte sich die veröffentlichte Meinung. Aber nicht über die darin propagierte Kriegspolitik, sondern über drei Jahre alte, von der nicht gerade bundeswehr­feindlichen Bild-Zeitung lancierte Fotos von Bundeswehrsoldaten in Afghanistan, die mit Men­schenknochen makabre Scherze trieben. Dies wurde als pervers verurteilt.

Aber was ist denn wirklich pervers? Ist es nicht viel perverser, massenhaft Totenschädel zu produ­zieren als mit ihnen zu spielen?

Pervers ist es, Menschen zum Töten und Verstümmeln auszubilden, ihren Willen zu brechen, sie zu Kampfmaschinen zu machen und systematisch zu verrohen, und noch perverser ist es, wenn ausge­rechnet diejenigen, die dafür verantwortlich sind, hinterher Empörung heucheln.

Pervers ist es, wenn Bundeswehrsoldaten in ihrer Ausbildung mit Stromstößen gequält werden und noch perverser ist, wenn das die Betroffenen noch nicht einmal stört.

Pervers ist es im Namen von Menschenrechten und Demokratie zu foltern und ganze Dörfer und Landstriche zu bombardieren und noch perverser ist es, hinterher darüber zu jammern, dass sich die Opfer undemokratischen, intoleranten, menschenfeindlichen, antiwestlichen, kriegerischen, Ideologien zuwenden.

Pervers ist es, dass in vielen angeblich so friedliebenden Staaten, auch in Deutschland, Menschen zum Kriegsdienst gezwungen werden und dass Kriegs­dienstverweigerer und Deserteure aus anderen Staaten kein Asyl erhalten.

Pervers ist es, dass ausgerechnet Menschen, die sich am Verbrechen des Kriegs nicht beteiligen und keinen Militärdienst leisten wollen, dies auch noch in willkürlichen Gewissenprüfungsverfahren begründen müssen, noch perverser ist, dass sie genau die Gründe vorbringen sollen, die der Staat für anerkennenswert erklärt hat und dass sie hinterher auch noch einen Ersatzdienst leisten müssen. Am allerperversesten ist, dass das von den meisten für vollkommen normal gehalten wird.

Dazu eine aktuelle Meldung: In dieser Woche wurde bekannt, dass der Kriegsdienstverweigerungs­antrag einer Bundeswehrärztin, die erkannt hat, dass sie Teil einer Tötungsmaschinerie ist, abge­lehnt wurde.

Wir fordern

  • Schluss mit den Auslands- und Inlandseinsätzen der Bundeswehr
  • Das Menschenrecht auf Kriegsverweigerung
  • Die Abschaffung der Bundeswehr und von Krieg und Militär weltweit
Letztes Update: 03.11.2007, 13:06 Uhr