Deutsche Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen Mainz-Wiesbaden

1. Begegnung in Teheran mit Moris Motamed, Mitglied des iranischen Parlamentes

In der Hauptsynagoge von Teheran wurden wir von Moris Motamed, Mitglied des iranischen Parlamentes für die jüdische Minderheit im Land, begrüßt. Im iranischen Parlament ist er Vorsitzender der iranisch-australischen parlamentarischen Freundschaftsgruppe und Mitglied des Entwicklungskomitees. Als gelernter Ingenieur berät er in diesem Ausschuss an übergeordneten Bau- und Strukturmaßnahmen im Land mit. Er ist 60 Jahre alt und lebt wie seine Familie seit Jahrzehnten im Iran. Seit sechs Jahren ist er im Parlament, zwei weitere Parlamentsjahre liegen noch vor ihm.

Die Ursprünge des Judentums im Iran seien sehr alt und reichten bis in das Jahr 500 vor Christi Geburt zurück. Die jüdische Gemeinde, die uns empfangen hat, existiere in dieser Form seit ca. 90 Jahren. Trotz vieler Eroberer, die im Laufe der Jahrhunderte in Iran einfielen, hätten die jüdischen Gemeinden, die ihr Land liebten, niemals Iran ganz verlassen.

Vor der Revolution 1979 lebten in Iran ca. 100.000 Jüdinnen und Juden, heute nur noch ca. 25.000. Nach der Revolution seien auch viele Rabbiner ausgewandert, derzeit seien nur noch drei im Lande.
Landesweit gebe es derzeit in 15 Städten, in denen Jüdinnen und Juden lebten, auch Synagogen, mehr als 12 allein in Teheran. Die Mindestzahl von 10 Gläubigen käme immer zustande. Weitere Gemeinden gebe es unter anderem in Yazd, Esfahan, Kashan und Shiraz.

In Teheran und Shiraz seien Kindergärten, Grundschulen und High-Schools speziell für Jüdinnen und Juden vorhanden. Die jüdischen Familien hätten die Wahl, ob sie ihr Kind auf eine jüdische Schule oder auf eine staatliche Schule entsenden möchten. Ca. 40 Prozent wählten die jüdische Schule, ca. 60 Prozent die staatliche. Er selbst war auf einer staatlichen Schule.

Da bezüglich des Militärs für alle männlichen Iraner die gleichen Gesetze gelten, müssten auch jüdische iranische Männer einen zweijährigen Militärdienst nach Abschluss der Schule ableisten. Jüdische Soldaten in der iranischen Armee würden in der Nähe ihrer Heimatorte stationiert, um ihnen den Zugang zu koscherem Essen sowie den Synagogengottesdiensten zu ermöglichen.

Bei der Vergabe politischer Ämter im Regierungsapparat oder auch an den Universitäten würden die nichtmuslimischen religiösen Minderheiten diskriminiert, so auch die Juden.

Zum ersten Mal in der iranischen Geschichte hätten die parlamentarischen Vertreter der religiösen Minderheiten erreicht, dass es im Staatshaushalt ein festes Budget für sie gebe. Diese finanzielle Planungssicherheit sei sehr wichtig für alle Aktivitäten.

Alle Abgeordneten des Parlamentes hätten die gleichen Rechte, die religiösen Minderheitsvertreter im Parlament seien nicht diskriminiert. Insgesamt unterhalte das iranische Parlament Kontakte zu rund 150 Ländern der Erde.

Früher hätte es Probleme bei der Vergabe von Visa bei Auslandsreisen nach Israel gegeben, diese Probleme seien nun weitgehend gelöst. Bei der Rückkehr von iranischen Jüdinnen und Juden, die Besuche in Israel gemacht hätten, seien früher Befragungen der RückkehrerInnen durchgeführt worden. Diese Probleme seien inzwischen ebenfalls behoben.

Auf die Frage, ob nach der Rede des iranischen Präsidenten am Jerusalemtag bezüglich der Aussagen zur Auslöschung Israels es eine Stellungnahme von ihm oder der jüdischen Gemeinde gegeben habe, antwortete Moris Motamed: Eine Woche nach der Rede habe er mit dem iranischen Präsidenten ein Treffen gehabt, bei dem er ihm mitgeteilt habe, dass diese Aussagen die jüdischen Menschen im Iran verletzt hätten. Bei dem Treffen habe er Präsident Ahmadineschad eine schriftliche Stellungnahme überreicht. Wegen des enormen Drucks der internationalen Regierungen und der Reaktionen in der weltweiten Presse, ebenso wegen des Druckes, den der einflussreiche unterlegene Präsidentschaftskandidat Rafsanjani auf Ahmadineschad ausgeübt habe, hätte der iranische Präsident seine Aussagen korrigiert.

Zwei Mitglieder unserer Gruppe geben sich als Juden zu erkennen - und Moris Motamed sagt etwas verschmitzt, dass er ihren Mut bewundere, als amerikanische Juden in diesen Zeiten Iran zu besuchen.

Er erwähnt, dass in der Vergangenheit bereits mehrere hochrangige jüdische Delegationen Iran besucht hätten und von ebenso hochrangigen muslimischen Delegationen in Qom zu Kongressen empfangen worden seien. Derzeit gebe es Vorbereitungen zu einem internationalen Seminar zu Ehren eines jüdischen Philosophen, das auf Einladung muslimischer Geistlicher in Qom stattfindet.

Er selbst war vor sieben Wochen in den USA an der katholischen Universität in Washington zu Gastvorlesungen eingeladen.

Von den internationalen Beziehungen seien diejenigen zum Judentum in den USA am intensivsten. Erste Ansprechpartner seien US-Rabbiner, die seit 1979 aus dem Iran ausgewandert seien.

Bezüglich des israelisch-palästinensischen Konfliktes betont Moris Motamed, dass die jüdische Gemeinde Gewalt auf beiden Seiten immer wieder zurückgewiesen habe. Beide Seiten müssten die Bereitschaft zeigen, etwas aufzugeben, um zu einer Lösung des Konfliktes beizutragen und somit den Druck aus den Beziehungen zu nehmen.

Moris Motamed bedankte sich zum Schluss für unser Kommen. Die internationalen Medien seien in ihren Äußerungen sehr stark gegen Iran eingestellt. Da wir nun als Augenzeugen im Iran seien und uns selbst ein Bild von der Situation machen könnten, käme uns eine wichtige Aufgabe zu. Als Botschafter in unseren Heimatländern könnten wir falschen Meldungen und Propaganda etwas entgegen setzen.

Letztes Update: 03.11.2007, 13:06 Uhr