Deutsche Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen Mainz-Wiesbaden

6. Zum Verhältnis Iran-EU

Die europäisch-iranischen Beziehungen sind weitaus intensiver als die us-iranischen. Bis 1997 betrieben die europäischen Staaten den sogenannten "kritischen Dialog" mit Iran. Im Gegensatz zu etlichen Stimmen der US-Politik geht die EU-Politik nicht von einer baldigen zweiten Revolution oder einer Implosion des politischen Systems im Irak aus, sondern setzt auf einen Transformationsprozess. 1997 endete der "kritische Dialog", als das Berliner Landgericht feststellte, dass höchste politische Regierungskreise für die Ermordung kurdischer Oppositioneller im Berliner Restaurant Mykonos im Herbst 1992 mitverantwortlich waren. Die von US-Präsident Clinton 1996 verhängten Wirtschaftssanktionen stießen in Europa auf heftigen Widerspruch und verstärkten eine zunehmend eigenständigere EU-Politik gegenüber Iran. Die Regierungen von Frankreich, Großbritannien und Deutschland starteten im Frühjahr 1998 als EUTroika wieder direkte Gespräche mit Iran, diesmal unter der Überschrift "konstruktiver Dialog". Dabei standen und stehen nach wie vor sicherheitspolitische Themen und Menschenrechtsfragen im Mittelpunkt. Der Handel zwischen den EU-Staaten und Iran stieg von 1999 bis 2001 von 8,6 auf 13,2 Milliarden Euro.

Am 12.12.2002 nahmen Iran und die EU Verhandlungen über ein Handels- und Kooperationsabkommen auf, die formal im Juli 2003 vom EU-Rat beschlossen wurden. Bei einer Umfrage im Iran im September 2002 sprachen sich 80,9 Prozent der Bevölkerung für eine Intensivierung der europäisch-iranischen Beziehungen aus, 71,4 Prozent lehnten die von der EU geforderte Anerkennung Israels durch Iran ab, 14,4 Prozent akzeptierten diese Bedingung, 44,6 Prozent waren nicht bereit, der EU-Forderung nach einem Verzicht auf Massenvernichtungswaffen Folge zu leisten, 41,8 Prozent stimmten für diesen Verzicht (9). Meinungsumfragen im Iran haben eine nicht unerhebliche Bedeutung, weil auch die Kleriker wissen, dass sie nicht auf Dauer gegen den Willen der Bevölkerung sich an der Macht halten können.

Am 21.10.2002 beschloss der EU-Rat, ohne Vorbedingungen einen Menschenrechtsdialog mit Iran zu führen. Der bereits erwähnte iranische Justizchef, Ajatollah Schahrudi, sagte EUKommissar Chris Pattens bei dessen Besuch im Februar 2003 im Iran zu, die Todesstrafe durch Steinigung für Ehebrecherinnen abzuschaffen. Im Vorfeld des Pattens-Besuches wurden politische Gefangene als Geste guten Willens von der iranischen Führung freigelassen. Einer UNOMenschenrechtsdelegation erlaubte das iranische Regime, vor Ort zu recherchieren und damit konkrete Foltervorwürfe und willkürliche Verhaftungen zu überprüfen. Die genannten Vorgänge wurden innerhalb der EU als Erfolg des Dialoges bewertet.

Beim EU-Rat in Thessaloniki im Juni 2003 forderten die Europäer Iran auf, mit der IAEO zusammenzuarbeiten. Auf dieser Sitzung wurde auch beschlossen, zur Verhinderung der Verbreitung von Massenvernichtungswaffen "als letztes Mittel Zwangsmaßnahmen im Einklang mit der Charta der Vereinten Nationen zu ergreifen".

Besuche von Präsident Chatami in Italien, Frankreich und Deutschland (Juli 2000) sowie in Österreich und Griechenland (beide im März 2002) zeigen ebenso wie Gegenbesuche europäischer Staats- und Regierungschefs in Teheran das Interesse an einem lebhaften gegenseitigen Austausch. Im Oktober 2003 gelang es den Außenministern Frankreichs, Großbritanniens und Deutschlands auf einer gemeinsamen Reise nach Teheran, die iranische Regierung zur Unterzeichnung eines Zusatzprotokolls zum Atomwaffensperrvertrag - erfolgt am 18.12.2003 -, zur vollen Kooperation mit der Internationalen Atomenergie-Behörde (IAEO) und zur freiwilligen Suspendierung seiner Urananreicherungs- und Wiederaufarbeitungsaktivitäten zu bewegen. In der Resolution des IAEOGouverneursrates vom 13.3.2004 wurde Iran zu umfassenderer Kooperation aufgefordert. Nach den Besuchen des IAEO-Chefs Baradei am 6.4.2004 und einer Delegation von Inspekteuren sowie weiteren Inspektionen beschäftigt sich die IAEO weiterhin mit dem iranischen Nuklearprogramm.

Letztes Update: 03.11.2007, 13:06 Uhr