Deutsche Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen Mainz-Wiesbaden

Sorge um die Unversehrtheit und das Leben von Mehmet Tarhan

Bericht von Tina Kemler vom 25. Mai 2005

Heute erfuhr ich, daß wir in Sorge um die Unversehrtheit und das Leben von Mehmet Tarhan sein müssen. Er wurde mißhandelt, erpresst, mit dem Tode bedroht und gezwungen, über all diese Vorkommnisse zu schweigen.

Die Rechtsanwältin Suna Coskun veröffentlichte gestern am 24.05 im Rahmen einer Pressekonferenz, was sich seit der Verlegung von Mehmet Tarhan am 11. April ins Militärgefängnis von Sivas ereignet hat.

Der Ablauf der Misshandlungen im Einzelnen

Seit seiner Verlegung in das Militärgefängnis von Sivas wurde er anders als reguläre Inhaftierte behandelt. Der Unteroffizier Mustafa Selvi drohte ihm sofort mit der Verlegung in die Gemeinschaftszelle Nr.2, wo die Wildesten einquartiert seien. Später wurde Mehmet vor die Gemeinschaftszelle Nr. 1 gebracht und aufgefordert, ohne Begleitung hinein zu gehen.

Als er eintrat, war der Raum verdunkelt, die Männer darin waren nur schemenhaft zu erkennen. Er mußte sich auf einen Stuhl neben der Tür setzen. Es begann eine Art Kreuzverhör. Er wurde wiederholt gefragt, ob er ein Terrorist oder ein Landesverräter sei. Die Männer drohten, ihn zu töten, falls er ein Terrorist sei.

Dann fingen die Insassen (deren Namen alle bekannt sind) an, ihn zu verprügeln und wegen seiner langen Haare zu beleidigen. Einer der Inhaftierten zeigte Mehmet seine Waffe und drohte ihn zu töten. Der Angriff wurde erst durch das Eingreifen anderer Inhaftierter beendet.

Mehmet wurde in den Schlafsaal gebracht, wo eine kurze Weile später die gleichen Inhaftierten erneut über ihn herfielen. Sie schlugen überall auf ihn ein und zerrten ihn an den Haaren herum. Der Angriff drohte in Lynchjustiz zu gipfeln, bevor er erneut von anderen Inhaftierten nach ca. 20 Minuten beendet wurde.

Mehmets Oberlippe und die rechte Seite seiner Unterlippe sind geplatzt. Er hat Prellungen und Blutergüsse an Kinn, Hals und verschiedenen anderen Körperteilen. Wegen den Schlägen auf seine Brust hatte er bis zum 30. April 2005 Atemprobleme. Ihm sind an den folgenden Tagen kontinuierlich Haare ausgefallen. Wegen den Schlägen auf seine Knie, Beine und Füße hat er starke Blutergüsse und Prellungen und konnte lange Zeit nur beschwerlich aufstehen.

Nach dem Angriff wurden die Glühbirnen wieder festgedreht und damit die normale Beleuchtung in der Gemeinschaftszelle wieder hergestellt. Auch dies, so die Anwältin, ein deutliches Indiz dafür, dass die Mißhandlungen geplant waren.

Die Angreifer sind anschließend zu Mehmet Tarhan gekommen und haben ihm, unter dem Vorwand sich entschuldigen zu wollen, erzählt, der Unteroffizier Mustafa Selvi hätte ihn als Terrorist bezeichnet und sie mit den Worten ihr wisst schon wie ihr mit ihm umzugehen habt angestiftet. Dies sei der Grund, warum sie ihn verprügelt haben.

Mehmet wurde anschließend in eine Einzelzelle verlegt. Er wurde aber bei jedem Zellenausgang von den anderen Inhaftierten mit den Worten: "Hätten wir gewollt, hätten wir dich am ersten Tag töten können, aber wir können das immer noch." bedroht.

Aus Sorge um sein Leben hat Mehmet Tarhan die Mißhandlungen und Drohungen für sich behalten. Später forderten die Angreifer zuerst Geld, anschließend Kleidung (Hemden, Krawatten, Schuhe) und Telephonkarten.

Drei Mithäftlinge verlangten am 29. April 2005 während des Hofgangs 500 YTL (ca. 290 Euro) und drohten, dass er ja wisse, was ihn erwarten würde, falls er nicht zahle. Mehmet Tarhan erwiderte, dass er einen so hohen Betrag nicht zahlen könne. Eine Woche später gab er den Drohungen nach und gab den Erpressern 300 YTL, die ihm seine Schwester für seine privaten Gebrauch im Gefängnis gegeben hatte.

Darauf forderten die Erpresser am 9. Mai 2005 drei Schwarze Anzüge. Um zu garantieren dass er ihrem Wunsch nachkommt, zwangen sie ihn, seine Schwester anzurufen und hörten während dem Anruf zu.

Emine, Mehmets Schwester, brachte am 11. Mai 2005 zwei schwarze Anzüge, Schuhe, Krawatten und Hemden mit, die über die Gefängnisleitung einem der Erpresser ausgeliefert wurden.

Mehmet Tarhan hat die Gefängnisleitung gleich am ersten Tag über den Angriff und die bewaffnete Drohung informiert. Aus Sorge um seine Unversehrtheit und sein Leben hat er sich nicht an die Öffentlichkeit und seine Anwälte gewandt. Seine Schwester hat dann die Anwälte informiert, die am 19. Mai mit Mehmet die Situation detailliert besprechen konnten.

Die Anwälte haben die Gefängnisleitung mit der Situation konfrontiert und konnten zumindest vorübergehend eine teilweise Sicherheit herstellen. Das Geschehene wurde am 20. Mai 2005 im Gefängnis protokolliert. Die Anwälte haben bei der Militärstaatsanwaltschaft Sivas Anklage erhoben.

Gestern jedoch, berichteten die Anwältinnen von Mehmet, daß er während des Hofganges, der seit dem 20. Mai getrennt von seinen Angreifern und Erpressern stattfindet, von ihnen über eine Mauer hinweg mit Betonbrocken beworfen worden sei. Als er dies dem Lagerkommandanten mitteilen wollte, schritt jedoch der schon anfangs erwähnte Unteroffizier ein und erklärte er habe die Brocken über die Mauer geworfen.

Nachmittags wurde Mehmet dann in Gegenwart von seinen Anwältinnen von den entsprechenden Mithäftlingen bedroht und eingeschüchtert.

Die Anwältin schloss bei der Pressekonferenz mit den Worten:
"Es bleibt festzuhalten:

  • Die Inhaftierten wurden in ihren Taten von der Gefängnisleitung angestiftet.
  • Wir sind weiterhin um die Sicherheit Mehmet Tarhans besorgt."

Doch die Folterungen gehen weiter. Am Mittwoch dem 25.Mai, ein Tag vor der Fortführung seines Verfahrens, wurden Mehmet auf Geheiß der Staatsanwaltschaft die Haare geschnitten. Für Mehmet sicherlich per se eine psychische Folterung, aber die Spuren des "Haarschnitts" durch sieben Soldaten waren dann auch noch am kommenden Prozeßtag sichtbar. Narben im Gesicht, Prellungen überall an seinem Körper, Füße und Beine, die so geschwollen sind, dass Mehmet kaum laufen konnte ...

Letztes Update: 03.11.2007, 13:06 Uhr