Archiv > 2006 > Krieg gegen Iran? > Reiseeindrücke > 3. Besuch bei der Imam Ali Foundation for Translation and Publication
Die Imam Ali Foundation for Translation and Publication sei ein Ort der Begegnung, wo Intellektuelle sich zum Austausch treffen, besonders auch Schiiten und Sunniten. Der Direktor des Institutes, Mohammad Al-Hassoun, ist im irakischen Nedschef geboren und war zunächst Ingenieur im Irak. Vor einigen Jahren kam er an das Institut und promovierte in Islamwissenschaften. Er ist Autor vieler Veröffentlichungen und hat bereits Vorträge bei etlichen Kongressen in arabischen Länden, ebenso in Schweden, Dänemark und England gehalten.
Er gibt uns eine Einführung in den Islam. Im Islam gebe es nichts, was dem Intellekt widerspreche. Alle Aspekte des menschlichen Lebens würden im Islam berücksichtigt. Der Islam biete die Grundlagen, alle Menschen zu Frieden und Gerechtigkeit zu führen. Der Islam sei keineswegs eine Religon des Extremismus und der Intoleranz, sondern vielmehr ein Lebensprogramm. Da er alle Aspekte des Politischen und des Sozialen umfasse, gebe es auch keine Probleme damit, dass der Islam Staatsreligion im Iran ist.
Unser zweiter Gesprächspartner, Ahmed Haneef von der Islamic International Foundation of Cooperation, wurde vor 49 Jahren in Trinidad und Tobago geboren und lebte zunächst in Kanada. Er wuchs im katholischen Glauben auf und konvertierte zum Islam wegen der islamischen Revolution, die für ihn große soziale Fortschritte versprach. Er ist mit einer Muslima verheiratet und hat vier Kinder. Sein Sohn, 15 Jahre, nimmt unser Gespräch mit einer Videokamara auf. Vor zwölf Jahren kam die Familie nach Qom, wo Ahmed Haneef begann, Islam zu studieren. In seiner Suche als Schwarzer habe er Antworten im Islam auf der Suche nach seiner Indentität gefunden. An der islamischen Revolution faszinierte ihn besonders, dass Theorie Praxis wurde. Alle Aspekte des Lebens würden im Islam integriert. Heute arbeitet er als Lehrer und Übersetzer von Farsi ins Englische und hält viele Vorträge.
Auf die Frage, wie religiöser Extremismus bekämpft werden kann, antwortete er, dass im Islam alle Facetten des Extremismus verboten seien. So, wie nicht jeder Christ dem Evangelium folgen würde, folgten allerdings auch viele Muslime nicht dem Islam.
Bei der Beschäftigung mit dem Phänomen der Selbstmordattentäter müsse nach den Ursachen gefragt werden. Grundsätzlich sei für ihn ein Selbstmordattentäter, der sein Leben im Kampf riskiert, nicht sehr viel anders zu sehen als ein Soldat, der beim Kampf ebenso sein Leben riskiert.
Im Iran gebe es einen prominenten Fall eines Selbstmordattentäters aus dem Iran-Irak-Krieg 1980-88, der als Martyrer verehrt wird. Beim Anrücken eines irakischen Panzers habe dieser Iraner durch die Zerstörung des Panzers sein eigenes Leben verloren, allerdings das Vorrücken des Panzers und dessen weitere Zerstörungen gestoppt. Bei der Beurteilung von Selbstmordattentaten sei auch zu unterscheiden, ob es sich um militärische Ziele in einem ungleichen Kampf handele oder um die Tötung unschuldiger ZivilistInnen.
In den Medien der westlichen Welt würde über die israelischen Opfer palästinensischer SelbstmordattentäterInnen häufiger und ausführlicher berichtet als über die Opfer auf palästinensischer Seite.
Nach der Lehre des Islam sei es nicht nur wichtig, gerechte Handlungen zu begehen, sondern auch, schlechte Handlungen zu vermeiden. Friedenshandeln nach der Lehre des Koran bestehe darin, im konkreten Handeln gewaltfrei gegen Unrecht zu protestieren; wenn dies nicht möglich ist, das offen auszusprechen, was ungerecht ist, und wenn dies nicht möglich ist, das, was unrecht und schlecht ist, im Herzen zu hassen.
Eine Möglichkeit der Verständigung zwischen Iran und der westlichen Welt besteht für ihn in der Förderung alternativer Medien und der intensiven Beschäftigung mit dem Islam.
Im Islam gebe es keine Rechtfertigung für Angriffskriege, allerdings sei die militärische Selbstverteidigung wie im Falle des Angriffskrieges 1980 von Irak ausgehend erlaubt.
Auf die Frage, welche Kooperationsprojekte es mit den USA und der EU gibt, verweist Herr Al-Hassoun auf die Arbeit des Ali Chomeini Instituts, dessen interreligiöse Foren und Kongresse sowie Einladungen an Wissenschaftler aus verschiedenen Teilen der Erde.
Die Frage, ob es im Islam auch Raum gibt, die jeweilige Politik der Regierung zu kritisieren, bejaht Herr Haneef. Die Regierung zu kritisieren, sei kein Verbrechen. Nicht hinnehmbar seien allerdings die Terrorangriffe der Mudjahedin-Organisation "el-Khalq", die vom Irak aus im Iran operierten, früher Saddam Hussein unterstanden und nun im Auftrag des US-Geheimdienstes handeln würden.
Herr Al-Hassoun erläutert den Weg zum Ayatollah. Um Ayatollah zu werden, könne man ab dem 15. Lebensjahr zunächst fünf Jahre die arabische Sprache studieren. Anschließend folgte ein 3-5 jähriges Studium der Islamwissenschaften. Wer diesen Teil abgeschlossen und sein Diplom erlangt habe, könne einen Turban tragen, müsse dies aber nicht. Ob jemand Ayatollah wird, hängt von dem Ruf des betreffenden Lehrers ab, den dieser bei seinen StudentInnen und Anhängern genießt.
Frauen könnten auch Kleriker werden, auch Ayatollas. Frauen hätten spezielle spirituelle Zugänge und könnten sich schneller mit Allah verbinden als Männer, meint Herr Haneef. Derzeit gebe es eine Frau, die Ayatollah sei.
Fragen nach dem aktuellen Atomkonflikt verwies Herr Al-Hassoun an die zuständigen Politiker, gab allerdings auch seine persönliche Meinung preis. Er erwähnte zunächst, dass Ayatollah Chomeini grundsätzlich gegen Atomwaffen war. Als BürgerInnen der USA und der EU sollten wir in unserer Heimat die doppelten Standards kritisieren, die Israel und Iran betreffen. Israel habe bis heute sein Atomprogramm weder gemeldet noch sich Kontrollen der Internationalen Atomenergie Organisation (IAEO) in Wien unterworfen, wie Iran dies getan habe.