Deutsche Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen Mainz-Wiesbaden

Rede von Veronika Gielow (DFG-VK Mainz-Wiesbaden)

beim

"Klimastreik" in Mainz 25.3.2022

Als Video, 13:32 min, Film von Quer TV Mainz

 

Der Politikwissenschaftler Richard Ned Lebow hat in seinem Buch „Warum wir Kriege führen?“, («Why Nations Fight») alle Kriege zwischen Staaten seit 1648 untersucht und kommt zu dem Schluss: Die meisten Kriege sind das Resultat von Kränkungen. Er sagt, Nationen seien, wie einzelne Menschen, vom Streben nach Anerkennung motiviert. So lasse sich auch der gegenwärtige Krieg in der Ukraine verstehen.
 
Aber richtig ist wohl auch Folgendes:
„Für fast alle Kriege der letzten Jahre lässt sich nachweisen, dass der Zugang zu Erdöl, Erdgas und anderen Rohstoffen sowie den Transportwegen zu den wesentlichen Kriegsgründen zählte“, so die IPPNW (Internationale Ärzt*innen für die Verhütung des Atomkriegs) in einem Beitrag mit Beispielen aus dem Sudan, Kongo und Zentralasien.


Es geht meistens zumindest auch um den Zugang zu Ressourcen und Märkten. Konkret sind Öl- und Gas-, aber auch Uranvorkommen und andere Rohstoffe wie Coltan, Kobalt und Kupfer wichtige Kriegsfaktoren.
Bereits die verteidigungspolitischen Richtlinien aus dem Jahr 1992 benannten dies auch konkret als Ziel der Bundeswehreinsätze: „Aufrechterhaltung des freien Welthandels und des ungehinderten Zugangs zu Märkten und Rohstoffen in aller Welt im Rahmen einer gerechten Weltwirtschaftsordnung“.
 
Solche „Klimakriege“ um Ressourcen, Rohstoffe und Fläche werden zunehmen, weil diese aufgrund des Klimawandels immer weniger Menschen zur Verfügung stehen werden (www.imi-online.de/2016/12/07/gruener-tarnanstrich-fuers-militaer).

„Die Zerstörung der Umwelt und die Ausbeutung endlicher Ressourcen unseres Planeten gefährden den Frieden. Kriege werden für den Zugang zu diesen Ressourcen und den klimaschädlichen Lebensstil der reichen Länder geführt. Kriege verbrauchen dabei selbst enorme Mengen von Treibstoffen und Energie und produzieren entsprechend viele klimaschädliche Emissionen – ganz zu schweigen von den massiven Zerstörungen und Emissionen durch die Kriegshandlungen und ihren tödlichen Folgen“, heißt es in einer gemeinsamen Pressemitteilung von Friedensnetz Saar, Pax Christi Saar, Fridays for Future Saarland und der Kampagne Krieg beginnt hier (vom 30.4.2019).


„Dass viele Bundeswehrstandorte mit schwersten Umweltproblemen belastet sind, wurde schon länger immer wieder kritisiert.  In einer Studie der Naturfreunde Deutschlands und der Informationsstelle Militarisierung „Grüner Tarnanstrich fürs Militär?! Das Greenwashing der Bundeswehr am Beispiel ausgewählter Truppenübungsplätze“ von 2016 werden militärische Umweltschäden nicht nur im Krieg, sondern auch bei dessen Vorbereitung im eigenen Land und der Folgenutzung der ehemaligen Militärflächen untersucht. (siehe IMI-Studie 2016/11). Hinzu kommen enorme Probleme durch Altlasten, angefangen von Munitionsresten, über Treibstoffe bis zu Löschschäumen, die Boden und Grundwasser großflächig verseuchen.“, so Markus Pflüger in „Krieg ist der größte Klimakiller“. (IMI-Standpunkt 2019/023) „Das Militär genießt Privilegien, die das Umweltrecht und damit den Natur- und Umweltschutz aushebeln“, fährt Pflüger fort. „Zahlreiche Liegenschaften der Bundeswehr sind mit giftigen Chemikalien verunreinigt“ (Sprecherin des Bundesamtes für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr, zitiert nach M. Pflüger).

Kriege werden um Ressourcen geführt und sie zerstören dabei Mensch und Natur und verbrauchen dabei selbst viele Ressourcen inklusive der Folgeschäden und klimaschädlichen Emissionen. „Die Zeit zu handeln ist jetzt. Dürren, Hitzewellen, Überschwemmungen – wir wissen es längst. Die Klimakrise ist heute schon zerstörerische Realität für Menschen auf der ganzen Welt – vor allem im globalen Süden“, heißt es bei EndeGelände im Aufruf für Klimagerechtigkeit weltweit!

Gerd Bauz von der DFG-VK Frankfurt mahnte letzten Sommer:
"Lasst uns die Klima- und die Friedensbewegung zunehmend enger verzahnen! Noch drei entscheidende Zusammenhänge von Militär und Klimakatastrophe, von Klimaschutz und Frieden seien deshalb angemerkt:
1. Die militärische Konfrontation der Großmächte gefährdet die dringend notwenige Kooperation aller Länder und Kontinente zur Abwendung der Klimakatastrophe.
2. Der Waffenexport und die Verbreitung von Waffen führen bei regionalen Klimakatastrophen mit Flucht und Vertreibung zu Gewalt und Krieg statt zu solidarischer Hilfe.
3. Die weltweite laufende Verschleuderung von 1 981 Milliarden Dollar pro Jahr nur für Militär und Rüstung entzieht dem Umsteuern hin zu einer klimaneutralen Produktion die dringend benötigten Ressourcen.
Militär schafft keine Sicherheit. Militär ist Teil des Problems. Militär gefährdet die Zukunft der Menschen - und eine menschliche Zukunft. Die Zeit des Militärs ist genauso vorbei wie die Zeit fossiler Brennstoffe."
(Rede beim Zentralen Klimastreik Frankfurt 13.8.2021)
 
Sehr viele Kriege auf der Welt werden durch den Verkauf fossiler Energien finanziert. Aktuell auch der Ukraine-Krieg. Außerdem wird durch die Reduzierung fossiler Energien die Klimakrise angegangen. Zwei Probleme: Krieg und Klimakatastrophe, eine Lösung: Erneuerbare. Und man müsste diese Lösung lediglich mit Geld bewerfen, das ja in Berlin gerade sehr locker sitzt.

100 Milliarden für die Bundeswehr und 2% des Bundesinlandsprodukts für Rüstung sind Steuergeldverschwendungswahnsinn. Immer wieder kann man lesen, dass es eine Lüge ist, dass die Bundeswehr kaputtgespart sei. Das Geld sollte für echte Sicherheitspolitik eingesetzt werden und in die Entwicklungszusammenarbeit, den Klimaschutz, Bildung, Gesundheit und Soziales fließen. Wir brauchen eine weitsichtige wirkliche Friedenspolitik. Nur diese schafft Sicherheit.

Aktuell sieht man, dass Waffen keinen Frieden bringen. Putin kann trotz der NATO tun, was er will. Die NATO kann jetzt gar nicht eingreifen, die Waffen, die sie ja besitzt, bringen nichts, ein Weltkrieg oder gar Atomkrieg könnte bekanntlich die Folge sein.

Die westlichen Staaten und die NATO haben vorab auch keine ernsthaften Versuche unternommen, die sich seit Jahren drehende Eskalationsspirale zu stoppen, aber nichts rechtfertigt den Angriffskrieg Putins.
Alle Warnungen aus der Friedensbewegung, alle Forderungen, eine gesamteuropäische gemeinsame Sicherheitsarchitektur unter Einschluss Russlands aufzubauen, sind von der NATO nicht genug berücksichtigt worden.

Wir sind solidarisch mit allen, die den Kriegsdienst verweigern. Wir unterstützen Deserteur*innen und Kriegsdienstverweigerer aus Russland, Belarus und der Ukraine und in aller Welt. Wir unterstützen die russischen Soldatenmütter, eine russische Friedensorganisation, die sich gegen Krieg und Kriegsdienst einsetzt und andere Mütter russischer Soldaten berät, die Angst um ihre Kinder haben. Wir unterstützen die Anti-Kriegs-Demonstrationen in Russland. Wir unterstützen wohlüberlegte Sanktionen gegen Putins Russland, um Druck auf den Machtapparat Putins aufzubauen. Wir erinnern auch an Menschen, die nicht mitentscheiden können, ob um jeden Preis den russischen Soldaten gegenüber militärisch Widerstand geleistet wird und weiter gekämpft wird oder nicht, wie zum Beispiel Kinder.

Wir fordern weltweites Abrüsten, verhandeln statt schießen, Früherkennung von Konflikten ernst nehmen, die Geschichte analysieren, damit sich Fehler nicht wiederholen, Diktaturen nicht durch Handel oder Waffenexporte aufrüsten, stattdessen auf Augenhöhe fairen Handel treiben und dabei Demokratie und Rechtsstaatlichkeit durch Anreize fördern und belohnen und die Armut weltweit bekämpfen, um Kriege im Vorfeld zu verhindern.  Wir wollen, dass nichts und niemand vergessen wird, kein Mensch welcher Herkunft auch immer, und dass auch bei der Gewalt gegen Tiere nicht weggeschaut wird. Wir fordern eine gänzlich neue Haltung, weg von der Logik der Gewalt.

Ich möchte mich noch zum aktuellen Krieg in der Ukraine äußern.
Vor zwei Jahrzehnten warnten wir von der Münchner Friedensgruppe Arbeitskreis Tschetschenien schon vor Putin und informierten über seinen grausamen Tschetschenienkrieg. Anna Politkowskaja, Journalistin bei der russischen Nowaja Gaseta und eine wichtige Informationsquelle für uns, setzte sich unaufhörlich für Frieden in Tschetschenien ein und kritisierte Putin vehement. Dann wurde sie von Unbekannten erschossen. Schon vor 20 Jahren war das die Handschrift Putins. Doch seine Kriege und die mörderische Unterdrückung von kritischen Stimmen wurden von uns, den westlichen Ländern inklusive Deutschland, im Großen und Ganzen ignoriert. Wir trieben weiter Handel mit ihm und kauften Gas und unterließen es, im Gegenzug nachdrücklich auf die Einhaltung von Menschenrechten zu dringen und ein Ende seiner aggressiven Außenpolitik auszuhandeln.
 
Auch damals in Tschetschenien wurden wie jetzt in der Ukraine auf russischer Seite noch halbe Kinder als Soldaten verheizt. Die beschriebenen Szenen ähneln sich: Man liest, heute kämen sie oft „ohne Arme, Beine, Augen, Ohren“ in den Süden von Belarus ins Feldlazarett, hätten manchmal fünf Tage nichts gegessen und wären desorientiert. Putins „Kinderarmee“,  Patienten des Jahrgangs 2003, aus den armen Regionen Russlands, die nach ihren Eltern flehen. Soll das die junge Generation in Russland sein: ein Teil im Krieg verheizt, ein Teil kriegsversehrt, ein Teil wegen Demonstrationen im Gefängnis?

Und die andere, die ukrainische Seite sitzt in Bunkern und Kellern, voller Angst vor den Bombardements der russischen Angreifer, auch solche Menschen, die es sich nicht aussuchen können, ob immer weitergekämpft wird oder ob endlich ernsthaft über ein Kriegsende verhandelt wird, man endlich einen Kompromiss schließt.
Jetzt sind die Tonangebenden in der Ukraine fürs Durchhalten der Kämpfe. Sie entscheiden aber für andere mit, die unbedingt ein sofortiges Kriegsende wollen, sie entscheiden auch für Kinder mit.

Ich frage mich: Was ist am Ende erreicht, wenn man weiterkämpft? Verbrannte Erde und immer mehr Tote. Hungerkatastrophe in Mariupol. Von den Überlebenden viele verstümmelt und traumatisiert. Leid und Hass.
Aber wenn man einen Waffenstillstand erreichte, wenn man verhandelte und sich endlich auf eine Friedenslösung einigte, die beiden Seiten entgegenkäme und bei der beide Seiten Abstriche machten? Dies müsste vertraglich fixiert werden. Tatsächlich wäre es ungewiss, wie die Situation dann genau aussähe. Aber zumindest wäre hoffentlich ein Ende des gegenseitigen Abschlachtens erreicht, denn nichts anderes passiert in der Ukraine.  Wir fordern einen sofortigen Kriegsstopp.  Bislang wird weitergekämpft und die westliche Welt, auch Deutschland, unterstützt mit Waffenlieferungen und verschleppt das Kriegsende, zieht den Krieg in die Länge. Unserer Meinung nach sinnloses Blutvergießen. Nun ist das einzig Vernünftige und Wichtige, dass die Kriegshandlungen sofort stoppen, irgendwie, und von keiner Seite weiter befeuert werden. Wir sollten im Übrigen auch unsere eigenen Politiker*innen auffordern, die Verantwortlichen zum Verhandlungstisch zu drängen und gleichzeitig weiter durch wohlüberlegte Sanktionen Druck auf Putin zu erzeugen.
Jeder Tote/jede Tote ist eine zu viel.

Ich weise noch hin auf den Ostermarsch am Karsamstag in Wiesbaden und auf den Bertha-von-Suttner-Friedenspreis für die Jugend. Für beides gibt es Flugblätter.
 
Veronika Gielow, Deutsche Friedensgesellschaft - Vereinigte Kriegsdienstgegner*innen (DFG-VK)

 

Reden, Bilder und Videos von vorherigen Kundgebungen und Demonstrationen gegen den Ukraine-Krieg in Mainz:

Kundgebung Stoppt den Krieg! Frieden für die Ukraine und ganz Europa! 20. März 2022 mit Rede von Veronika Gielow (DFG-VK Mainz-Wiesbaden) als Text und als Video

Demonstration NEIN zum Krieg! JA zum Klimaschutz! 11. März 2022 mit Video von der Abschlusskundgebung

Kundgebung Stoppt den Krieg! Frieden für die Ukraine und ganz Europa! 6. März 2022 mit Rede von Dr. Gernot Lennert (Landesgeschäftsführer DFG-VK Rheinland-Pfalz)

Kundgebung Russischer Angriffskrieg gegen die Ukraine: Den Krieg stoppen – Waffen nieder! 26. Februar 2022 mit Rede von Uta Binz (DFG-VK Mainz-Wiesbaden)

 

Reden, Videos und Bilder von Kundgebungen und Demonstrationen gegen den Ukraine-Krieg in Rheinland-Pfalz und Hessen

 

Letztes Update: 29.03.2022, 16:15 Uhr