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bei der Kundgebung zum Internationalen Tag der Kriegsdienstverweigerung, Mainz, 15. Mai 2025
Es gilt das gesprochene Wort
Wir sind heute hier, weil der 15. Mai seit 1982 als Internationaler Tag der Kriegsdienstverweigerung begangen wird. Angesichts der Aufrüstung und Militarisierung, die wir gegenwärtig beobachten, ist dieser Tag enorm wichtig.
Seit mehreren Jahren widmen wir diesen Tag vor allem der #ObjectWarCampaign zur Unterstützung von Verweiger*innen aus Russland, Belarus und der Ukraine – und da der Krieg in der Ukraine noch immer andauert und Rekrutierungsversuche stetig ausgeweitet und brutaler werden, betonen wir auch dieses Jahr: Das Recht auf Kriegsdienstverweigerung muss auch im Krieg in der Ukraine gelten, auf welcher Seite auch immer!
Die Zeichen stehen nach auf Krieg. Weltweite Waffenexporte nehmen zu. Die Rüstungsproduktion wird angekurbelt. Forderungen werden erhoben zur Einführung einer neuen Wehrpflicht oder einer allgemeinen Dienstpflicht. Statt Kriege zu verhindern, wird darauf gesetzt, Kriege führen zu können – und sie auch zu führen.
Es ist dabei nicht nur der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine, der als Argument angeführt wird. Aktuell erleben wir Kriege in vielen anderen Ländern: in Israel/Palästina, Türkei, Syrien, Sudan, Myanmar oder in der Demokratischen Republik Kongo. Auch dort setzen Regierungen und Milizen auf Krieg.
In Kauf genommen werden Zigtausende von Toten, unzählige Schwerverletzte, massive Zerstörungen. Nicht zu vergessen: All diese Kriege treiben ungezählte Menschen in die Flucht, einen Teil auch nach Europa und Deutschland. Die Festung Europa wird jedoch militärisch gesichert. Das Asylrecht soll außer Kraft gesetzt werden. Widerrechtlich werden an vielen EU-Außengrenzen Geflüchtete über Pushbacks zurückgewiesen. Grenzkontrollen gibt es auch innerhalb der EU wieder.
In all den Ländern, die sich im Krieg befinden, gibt es aber auch Menschen, die sich dem Krieg verweigern, die sich aktiv für Frieden einsetzen, die Widerstand gegen Militarisierung und Krieg leisten. Soldat*innen an der Front wollen angesichts des Grauens ihre Waffen niederlegen. Andere entziehen sich den Zwangsrekrutierungen. Sie wollen keine anderen Menschen töten und auch nicht in einem Krieg sterben. Ihnen allen drohen Repressionen und Gefängnisstrafen.
Wir sehen die Kriegsdienstverweigerung als einen wichtigen Baustein, um Krieg und damit Tod und Zerstörung im Krieg zu überwinden. Wir fordern die uneingeschränkte Einhaltung des Rechts auf Kriegsdienstverweigerung, auch und gerade in einem Krieg. Wir fordern Schutz und Asyl für alle Kriegsflüchtlinge, verfolgte Kriegsdienstverweiger*innen und Kriegsgegner*innen.
Die Schilder, die wir hier halten, stehen für einige von ihnen. Sie verweigern sich dem Krieg, sie haben sich für das Leben entschieden.
Zum Beispiel Valentin. Er ist 23 Jahre alt und hat die Ukraine verlassen, um der Rekrutierung für den Krieg zu entgehen. Nach seinem Schulabschluss hat er zunächst ein Studium in Kyiv begonnen und wurde daher vom Militärdienst zurückgestellt. Doch dann kam der Krieg. Seitdem droht ihm die Einberufung. Er ist geflohen und lebt derzeit als „vorübergehend Schutzberechtigter“ in Deutschland. Ob er bleiben kann, bis der Krieg zu Ende ist, weiß Valentin nicht. Er hat Angst, als Militärdienstpflichtiger in die Ukraine zurückgeschickt zu werden.
Anastasia ist 35 Jahre alt. Sie ist Russin, sie ist Soldatin und Mutter eines Kindes im Grundschulalter. Wegen der Schwangerschaft mit ihrem zweiten Kind wurde sie zunächst vom Dienst befreit. Während der letzten Mobilmachung wurde Anastasia dennoch einberufen. Das Militärgericht verurteilte sie zu sechs Jahren Haft, weil sie sich nicht bei den Militärbehörden zurückmeldet hatte – schwanger und vom Dienst befreit, wohlgemerkt. Eine Berufung gegen das Urteil und die 6-jährige Haftstrafe blieb ergebnislos.“
Ella Keidar aus Israel wurde Im März 2025 wegen ihrer Verweigerung inhaftiert. In einem bewegenden Brief beschreibt sie ihre Entscheidung als eine „Reise nach Hause – eine Reise zu sich selbst, zur eigenen Menschlichkeit und dem Recht, eine andere Welt zu fordern“.
Sofia Orr aus Israel hatte im Februar 2024 ihre Kriegsdienstverweigerung aus Protest gegen den Krieg in Gaza und die langjährige Besatzung Palästinas. Sie erklärte: „Ich verweigere aus Empathie, Solidarität und Liebe für alle Israelis, die in Israel leben, und für alle Palästinenser*innen, die im Gazastreifen und im Westjordanland leben, unabhängig von ihrer Nationalität oder Religion. Ich verweigere aus der Überzeugung heraus, dass jeder Mensch es verdient, ein Leben in Sicherheit und Würde zu führen.“
Es sind die Namen von Menschen, die sich weigern sich zu töten. Sie sind Sand im Getriebe des militärischen Apparats der Leben und Lebensgrundlagen zerstört.
Kriegsdienstverweigerung und Desertion ist immer eine persönliche Entscheidung. Aber sie alle sagen: Stoppt das Töten – in allen Kriegen! Und sie brauchen angesichts drohender Repressionen unsere Unterstützung. Das Menschenrecht auf Kriegsdienstverweigerung muss als unveräußerliches Recht auch in Kriegszeiten gelten, für jeden und jede, für Männer wie für Frauen, für Rekruten wie für Soldaten und Reservisten.
Und gemeinsam fordern wir: Wer wegen seiner Entscheidung, sich dem Krieg zu verweigern, verfolgt wird, braucht Schutz und Asyl!
Helft denen, die das ganz persönlich für sich bereits entschieden haben. Helft uns dabei, all diejenigen zu unterstützen, die sich auf welcher Seite auch immer, dem Grauen des Krieges entziehen, die sich verweigern, die desertieren.
Vielen Dank!