Deutsche Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen Mainz-Wiesbaden

Film

 

Blick aufs Fenster

Die Stimmen von zwölf Frauen aus den Zeiten der „Insumisión“

 

Mirar a la ventana

La voz de doce mujeres sobre los tiempos de la insumisión

 

Film in Spanisch mit deutschen Untertiteln (50 min, 2011)

Referenten: Daniel Fernández Luna, Miguel Morcillo, Diego Pedrera,
Movimiento de Objeción de Conciencia (MOC), Cáceres, Spanien

 

Mainz: Montag, 5. März 2012

 

Brockenhaus, Leibnizstr. 16, 19 Uhr
Veranst.: Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) Mainz, DFG-VK Bildungswerk Hessen e.V., Linkswärts, Pax Christi Bistumsstelle Mainz
 

Wiesbaden: Mittwoch, 7. März 2012

Kontext, Welfenstraße 1b, 19 Uhr
Veranst.: Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) Wiesbaden, DFG-VK Mainz, DFG-VK Bildungswerk Hessen e.V.

Frankfurt a.M.: Donnerstag, 8. März 2012

DFG-VK, Mühlgasse 13 (U Leipziger Str.), 19 Uhr
Veranst.: Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) Frankfurt, DFG-VK Bildungswerk Hessen e.V.

Marburg: Freitag, 9. März 2012

Café am Grün, Am Grün 28, 20.30 Uhr
Veranst.: Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) Marburg, DFG-VK Bildungswerk Hessen e.V.
 

 

In den 1980er und 1990er Jahren haben in Spanien Tausende den Kriegsdienst total verweigert. Sowohl die Verweigerer (insumisos) als auch ihre ca. 100 000 Unterstützerinnen und Unterstützer wurden von dieser massenhaften Insumisión geprägt.

Protagonistinnen des Films sind zwölf Frauen. Sie schildern wie sie als Partnerinnen, Schwestern, Cousinen und Mütter der Verweigerer die Zeiten der Insumisión erlebt haben.

Bei den Veranstaltungen informieren drei Insumisos vom Movimiento de Objeción de Conciencia (MOC, Bewegung für Kriegsdienstverweigerung) aus Cáceres über die politischen und historischen Hintergründe  sowie über die Nachwirkungen der Insumisión auf die politische Kultur und die sozialen Bewegungen bis zu den indignados heute.    

 

Anfänge des Antimilitarismus im spanischen Staat

Die Unzufriedenheit der Bevölkerung mit dem Militär wuchs mit den Zwangsrekrutierungen während der Karlistenkriege des 19. Jahrhunderts. Angesichts der Niederlage im spanisch-amerikanischen Krieg von 1898 und dem Verlust der letzten Kolonien in Amerika und im Pazifik wurde immer mehr der Sinn von Militär an sich angezweifelt. Die Feindseligkeit gegenüber dem Militär verstärkte sich vor allem im Marokkokrieg. 1909 wurde in der „Tragischen Woche von Barcelona“ (Semana Trágica de Barcelona) ein Aufstand gegen Zwangseinberufungen blutig niedergeschlagen.

Im Bürgerkrieg, dem in Spanien am intensivsten in Erinnerung gebliebenen Krieg des 20. Jahrhunderts, übertraf die Zahl der Desertionen oft die Zahl der Toten und Verwundeten. Danach versank das Land in der dunkelsten und repressivsten Zeit der modernen spanischen Geschichte, in der franquistischen Diktatur. In der Endphase dieser Diktatur begann die heutige antimilitaristische Bewegung. Durch die franquistische Prägung des Militärs war es vielen demokratisch und emanzipatorisch gesinnten Menschen verhasst.

Kriegsdienstverweigerung (Objeción de Conciencia)
Nicht-Unterwerfung / Totale Kriegsdienstverweigerung  (Insumisión)
Verweigerung in den Kasernen (Insumisión en los Cuarteles)

In den 1970ern kamen Hunderte von Zeugen Jehovas wegen Verweigerung des Militärdiensts ins Gefängnis. 1971 wurde Pepe Beunza als Kriegsdienstverweigerer bekannt. Ab 1975 bildeten sich die ersten Gruppen von Verweigerern. 1978 erkannte die neue spanische Verfassung das Recht auf Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen an. Die Verweigerungsbewegung bekannte sich nicht nur zur Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen (objeción de conciencia), sondern praktizierte auch die Nicht-Unterwerfung, die Insumisión (katalanisch: Insubmissió). Sie unterwarf sich auch nicht dem für Verweigerer vorgesehenen Militärersatzdienst (Prestación Social Sustitutoria, PSS), nicht nur wegen seiner militärunterstützenden Funktion, sondern weil unbezahlte Zwangsarbeit angesichts einer Arbeitslosenrate von 20% besonders unsozial erschien. Viele Verweigerer erklärten gemeinsam ihre Verweigerung sowohl des Militärdienstes als auch des Ersatzdienstes. Es dauerte bis 1988, bis ein Zivildienstgesetz in Kraft trat. Doch dann sah sich der Staat nicht in der Lage, Tausende von entschlossenen Verweigerern zum Ersatzdienst zu zwingen oder sie einzusperren und erließ eine Amnestie für 22.000 Verweigerer. Danach begann eine Periode der härteren Repression.

Ab 1989 wurden Verweigerer von Militärgerichten verurteilt. Gleichzeitig wuchs die Verweigerungsbewegung, und sie erfuhr viel Unterstützung aus der Bevölkerung – von Prominenten, KünstlerInnenn, ProfessorInnen, JournalistInnen und von vielen Bürgern, die den Militärdienst selbst erlebt hatten. Typisch wurde auch die Selbstbeschuldigung, Verweigerer zu sein, die autoinculpación. 1990 wurden von den 2.450 erklärten insumisos 130 inhaftiert. 1991 wurde für die Totalverweigerer die zivile Justiz zuständig, die Gefängnisstrafen von zwei Jahren, vier Monaten und einem Tag bis hin zu sechs Jahren verhängte. Nachdem die Parlamente des Baskenlands und Kataloniens gefordert hatten, die Insumisión nicht mehr zu bestrafen, wurde für die Verweigerer ein erleichterter Strafvollzug (3. Grad, tercer grado). 1995 wurde im Strafgesetzbuch als Ersatz für eine Gefängnisstrafe der „Bürgerliche Tod“ (Muerte Civil) eingeführt: die Verweigerer verloren für zehn Jahre jeglichen Anspruch auf staatliche Sozialleistungen. Bis 1998 waren in der Regel jeweils 350 Verweigerer gleichzeitig im Gefängnis.

1997 wurde beschlossen, die spanische Armee bis 2003 zu einer reinen Berufsarmee zu transformieren.

Verweigerung in den Kasernen (Insumisión en los Cuarteles)

Die antimilitaristische Bewegung reagierte mit ihrer Kampagne „Verweigerung in den Kasernen“ (Insumisión en los Cuarteles). Dems Militär sollte die direkte Konfrontation nicht erspart bleiben. Diese Verweigerer ließen sich deshalb in die Kasernen einberufen, um erst dann zu desertieren und die Verweigerung zu erklären. Dadurch waren zu jedem Zeitpunkt etwa 20 Verweigerer im Militärgefängnis Alcalá Meco (Madrid). Diese Kampagne wurde bis 2001 fortgeführt, bis zum Ende des Kriegsdienstzwangs.

2002 wurden die noch inhaftierten Verweigerer freigelassen und der „Bürgerliche Tod“ aufgehoben.

Weitere Kampagnen und weltweite Ausstrahlung

Die Bewegung der Insumisión wollte nicht nur den Zwang zum Kriegsdienst beenden, sondern hatte schon immer viel weiter gesteckte Ziele. Die Insumisión war eine basisdemokratische Bewegung. Sie wollte die bloße Existenz von Armeen beenden, wandte sich gegen die patriarchale Gesellschaft, propagierte die Verweigerung von Kriegssteuern (objeción fiscal) und engagierte sich kontinuierlich in Kampagnen zur Friedenserziehung. An der Bewegung hatten viele Gruppen Anteil, von der Gewerkschaft CNT bis hin zu Gruppen wie Mili KK und dem Movimiento de Objeción de Conciencia (MOC). Die Insumisión fand auch künstlerischen Ausdruck, mit eigener Musik, bildender Kunst, Poesie und Prosaliteratur.

Die Bewegung ließ sich immer neue Aktionsformen und Kampagnen einfallen. Die Insumisión in Spanien war im weltweiten Maßstab die aktivste antimilitaristische und pazifistische Bewegung. Ihr gelang es, großes Echo und viel Unterstützung aus der Bevölkerung zu erhalten. Sie strahlte auch nach Lateinamerika aus, wo in den 1990ern in Ländern wie Kolumbien, Paraguay und Chile gleichfalls dynamische antimilitaristische Bewegungen entstanden.

In anderen Staaten Europas wurde die Zwangsrekrutierung zum Kriegsdienst vor allem aus finanziellen Erwägungen abgeschafft oder ausgesetzt. Da man keine Massenkriege mehr erwartet, sondern das Militär zu personell kleinen Interventionstruppe umrüstet, konnte man sich auf Dauer nicht mehr die kostspieligen und für die neuen Kriegsplanungen ineffizienten Massenheere leisten. Die jeweiligen Friedensbewegungen hatten daran nur wenig und indirekten Anteil. Nur in Spanien ist die Abschaffung des Zwangs zum Kriegsdienst eindeutig ein Erfolg des gesellschaftlich breit verankerten antimilitaristischen Widerstands.

Über den Dokumentarfilm Blick aufs Fenster (Mirar a la ventana)

Der antimilitaristische Kampf wurde nicht nur von Männern geführt. Es gab viele Frauen in den Gruppen, die aktiv in den antimilitaristischen Kampagnen mitwirkten, allein schon dadurch, dass sie im MOC, in der CNT oder bei Mili KK aktiv waren. Frauen waren auch durch ihre Beziehungen zu den Verweigerern involviert - als Mütter, als Schwestern, als Cousinen oder Partnerinnen.

Sie sind die Hauptpersonen des Dokumentarfilms. Der Blick aufs Fenster schaut von außen wie durch ein Fenster ins Innere der Häuser. Ein Großteil der Frauen nahm nicht direkt an den Verweigerungskampagnen teil. Sie erlebten und erlitten sie, weil sie zwangsläufig hineingezogen wurden, allein schon weil ihre Söhne, Brüder, Cousins und Partner Opfer der staatlichen Repression wurden.

Mit dieser Dokumentation soll in erster Linie diesen Frauen eine Stimme gegeben werden, als kleine Anerkennung dessen, was ihnen die antimilitaristische Bewegung schuldet.

Die Bewegung selbst nimmt im Film nur eine sekundäre Rolle ein. Wir haben jedoch drei insumisos vom MOC Cáceres eingeladen, um die politischen und historischen Hintergründe zu erläutern. Wir können von ihnen auch erfahren, wie die Bewegung der Insumisión die politische Kultur und die sozialen Bewegungen in Spanien bis heute beeinflusst.

 

Speziell für Deutschland und die Friedensbewegung in Deutschland stellen sich einige Fragen:

•    Was waren und sind die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den Bewegungen und den politischen Rahmenbedingungen in Spanien, Deutschland und anderen Ländern?

•    Was kann die Friedensbewegung in Deutschland von der Bewegung in Spanien lernen?

•    Welche Erfahrungen sozialer Bewegungen in Spanien können für Bewegungen anderswo relevant sein?

Weitere Informationen:

Información en castellano  Flugblatt als pdf

Letztes Update: 01.03.2012, 16:45 Uhr