Deutsche Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen Mainz-Wiesbaden

Überwachung und Datenerpressung durch die Bundeswehr

Während der Rede streikte das Stromaggregat und die Rede wurde mit einem Megaphon fortgesetzt.

Die Rede als MP3

Rede von Gernot Lennert (DFG-VK Mainz & Landesgeschäftsführer DFG-VK Hessen)

Als 1983 der Volkszählungsboycott vorgeschlagen wurde, bezweifelte ich den Erfolg. Denn warum sollte ein einfacher Fragebogen Menschen massenhaft zum Widerstand bewegen, die es gleichzeitig hinnehmen, dass die Bundeswehr sehr viel massiver in ihr Leben und ihre Privatsphäre eingreift? Doch es zeigte sich, dass Überwachung und Freiheitseinschränkungen in vielen Bereichen auf massive Empörung stoßen, aber ignoriert werden, wenn sie auf dem Zwang zum Kriegsdienst beruhen.

Im Rahmen der Erfassung geben die Einwohnermeldeämter die Daten männlicher Jugendlicher an das zuständige Kreiswehrersatzamt weiter. Ab ihrem 18. Geburtstag unterliegen die sogenannten Wehrpflichtigen oder Zivildienstpflichtigen der sogenannten Wehr- oder Zivildienstüberwachung. Infolgedessen sind sie zur Preisgabe von Informationen verpflichtet: über berufliche Tätigkeit, Stand der Schul- oder Berufsausbildung sowie über ihren Gesundheitszustand. Sie werden dazu verleitet, der Aufhebung der Schweigepflicht ihrer Ärzte zuzustimmen. Die Betroffenen dürfen das Gebiet der BR Deutschland nur mit Genehmigung des Kreiswehrersatzamtes oder des BAZ für mehr als drei Monate verlassen. Sie sind u.v.a. verpflichtet, Vorsorge zu treffen, dass Mitteilungen der Kriegsdienstbehörden sie unverzüglich erreichen und sich auf Aufforderung der zuständigen Kriegsdienstbehörde persönlich zu melden. Die Verweigerung von Auskünften und Verletzungen der Auflagen können als Ordnungswidrigkeit verfolgt werden.

Die männlichen Jugendlichen werden gezwungen, die Musterung durch die Bundeswehr über sich ergehen zu lassen. Die Daten werden nicht heimlich durch Überwachung und Bespitzelung erhoben, sondern offen erpresst. Die Opfer werden unter Androhung von Geldbußen oder Gewalt genötigt, sich zum Ort der Datenerhebung zu begeben, oder mit polizeilicher Gewalt dorthin gebracht. Die Musterung ist ein demütigender Eingriff in die Persönlichkeitsrechte, unter Umständen verbunden mit Beschimpfungen und herabsetzenden Bemerkungen. Weder wird die Intimsphäre gewahrt, noch dient die Zwangsuntersuchung dem Betroffenen. Die erpressten Daten haben den Zweck, die Objekte der Zwangsuntersuchung Kriegs- und Zwangsdiensten mit all ihren Folgen und damit verbundenen weiteren Menschenrechtsverletzungen zu unterwerfen. Der Hauptzweck ist es, Kriege vorzubereiten und - wie zur Zeit in Afghanistan - zu führen.

Diejenigen, die einen Antrag auf Kriegsdienstverweigerung stellen, der übrigens heutzutage oft vermeidbar ist, weil es wesentlich bessere Wege gibt, sowohl Bundeswehrdienst als auch Zivildienst zu entgehen, werden genötigt, sich einer Gewissensprüfung zu unterziehen. Seit 2003 ist die mündliche Gewissensprüfung in erster Instanz abgeschafft, d.h. der zur Auskunft Genötigte kann in der schriftlichen Prüfung selbst entscheiden, welche Informationen er preisgibt und muss sich nicht bohrenden Fragen in der mündlichen Gewissensinquisition stellen. Allerdings kann sie auch heute noch stattfinden: erstens im Fall der Ablehnung und des Widerspruchs dagegen in der Verwaltungsgerichtsverhandlung, zweitens im Fall von Zweifeln an der Wahrheit der Angaben. Unter Androhung von Gefangenschaft in der Bundeswehr und von Strafverfolgung werden die Verweigerer genötigt, intime Dinge, die den Staat nichts angehen, preiszugeben und beurteilen zu lassen: zusätzlich zum Lebenslauf z.B. Informationen über ihre Kindheit, ihre Erziehung, die Entwicklung ihrer politischen, religiösen und ethischen Überzeugungen, prägende Erlebnisse, Beziehungen zu wichtigen Bezugspersonen, politisches und soziales Engagement, Erläuterungen über tatsächliches oder hypothetisches Gefühlsleben.

Menschen, die sich gegen den Kriegsdienstzwang konsequent wehren, werden strafrechtlich verfolgt. Am vergangenen Dienstag wurde der Totale Kriegsdienstverweigerer Matthias Schirmer, zu 10 Monaten Gefängnis auf Bewährung und 1000 Euro Geldstrafe verurteilt. Zuvor war er von der Bundeswehr 34 Tage in Militärarrest gefangen gehalten worden.
Je mehr die die Bundeswehr im Innern eingesetzt wird, desto mehr beteiligt sie sich an der staatlichen Überwachung und Repression, besonders spektakulär beim Einsatz von Militärflugzeugen zur Überwachung von Demonstrationen rund um den G8-Gipfel in Mecklenburg. Auch hier wird selektiv wahrgenommen: Neuartige Bundeswehreinsätze rufen Empörung hervor. Der gegen die Hälfte der deutschen Bevölkerung gerichtete Kriegsdienstzwang mit seinen Folgen wie Überwachung, Musterung und Zwangsrekrutierung ist mit Abstand der umfangreichste Einsatz der Bundeswehr im Innern, wird aber nicht als solcher begriffen.
Überwachung, erzwungene medizinische Untersuchungen durch die Bundeswehr und die Gewissensinquisition beruhen auf dem Zwang zum Kriegsdienst und auf der Missachtung des Menschenrechts auf Kriegsdienstverweigerung. Die erpressten Daten dienen direkt dem organisierten Massenmord, dem Krieg.

Deshalb fordere ich im Namen der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte Kriegsdienstgegner und -gegnerinnen

Keine Überwachung und Zwangsuntersuchungen durch die Bundeswehr, Schluss mit Musterungen und Gewissensprüfungen!

Deshalb

  • Abschaffung des Zwangs zum Kriegsdienst!
  • Anerkennung des Menschenrechts auf Kriegsdienstverweigerung
  • Keine Einsätze der Bundeswehr im In- oder Ausland.
  • Freiheit statt Angst!

 

Letztes Update: 13.11.2009, 15:01 Uhr