Deutsche Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen Mainz-Wiesbaden

Nein zu allen Kriegs- und Zwangsdiensten! Kriegsdienste vermeiden!

Rede von Dr. Gernot Lennert, Landesgeschäftsführer der DFG-VK Hessen,
bei der Kundgebung gegen die Militärkonferenz „Landeuro“, Wiesbaden, 17. Juli 2025

Wir stehen hier vor der Militärkonferenz „Landeuro“. Auf der Homepage des Hauptquartiers der US-Armee für Europa und Afrika wird als einer der Zwecke der Konferenz „enhancing lethality“, die Steigerung der Tödlichkeit der hier beworbenen Militärmaschinerie für den Landkrieg genannt. Hauptzielgruppe - im wahrsten Sinn des Wortes - der verstärkten Tödlichkeit sind Soldaten und Soldatinnen, die gerade im Landkrieg massenhaft in den Tod getrieben werden.

In den letzten Jahrzehnten hatten viele Staaten die Zwangsrekrutierung zum Militär abgeschafft oder ausgesetzt. 2011 wurde in Deutschland die Zwangsrekrutierung zum Militär ausgesetzt. Das Wehrpflichtgesetz blieb immer noch in Kraft und Männer blieben zum Kriegsdienst verpflichtet. Doch seit 2011 ist niemand zwangsweise gemustert oder zu Bundeswehr oder Zivildienst einberufen worden, niemand kam wegen Kriegsdienstverweigerung ins Gefängnis. Die sogenannte Wehrpflicht tritt im Spannungs- und Verteidigungsfall automatisch wieder in Kraft und der Bundestag kann sie mit einfacher Mehrheit reaktivieren, was jetzt laut neuesten Gesetzentwürfen bevorsteht, allerdings in abgeänderter Form.

Warum sogenannte Wehrpflicht? Wehrpflicht und Wehrdienst und davon abgeleitete Begriffe suggerieren bezüglich des zwischenstaatlichen Verhältnisses, dass das Militär der Verteidigung diene. Allerdings haben sogenannte Wehrdienstleistende schon viele Angriffskriege geführt. Das gilt gerade für Deutschland. Im Spannungsverhältnis zwischen Individuum und Staat ist der Begriff ebenfalls abwegig. Wehrdienst leisten gerade diejenigen, denen es nicht gelungen ist, sich erfolgreich gegen die Rekrutierung zum Militär zu wehren. Deshalb verwende ich diese sachlich unzutreffenden und realitätsverschleiernden Propagandabegriffe nicht.

Die Bundeswehr hat nicht genug Kasernen, um wie früher ganze Jahrgänge einzuberufen. Also wurde Schweden zum Vorbild: Dort werden alle männlichen und weiblichen Jugendlichen zwangsgemustert und hinterher beruft das Militär diejenigen ein, die es haben will und quantitativ verkraften kann. Daran orientiert sich Kriegstüchtigkeitsminister Pistorius. Jetzt wird angestrebt, dass ab 2026 alle jungen Männer unter Androhung von Bußgeld gezwungen werden, einen Fragebogen auszufüllen. Für junge Frauen soll die Beantwortung freiwillig sein. Dann sollen ca. 10000 von der Bundeswehr Ausgewählte zur Musterung geladen werden. Bisher hieß es, dass es zunächst noch um Freiwilligkeit ginge. Doch allein schon ein Zwangsfragebogen ist Zwang. „Zunächst“ ist eine eindeutige Drohung, und es wird immer offener von Zwang gesprochen. Je mehr die Kapazitäten der Bundeswehr wachsen, desto mehr Zwang ist vorprogrammiert. Jetzt ist schon die Zwangsmusterung junger Männer ab 2027 vorgesehen.

Jede Zwangsrekrutierung zum Militär ist eine Menschenrechtsverletzung und ein Akt der Gewalt. Dazu gehören Freiheitsberaubung und Aufhebung der Rechte auf Leben und körperliche Unversehrtheit, aber auch entwürdigende Musterungen, Gewissensprüfungen, juristische und politische Verfolgung von Verweigerung, Zerstörung von Lebens- und Berufsleben. In der Praxis führt Zwangsrekrutierung für Militär und Krieg häufig zu Verletzungen, Verstümmelungen, Traumata und letztendlich auch zum Tod.

Die Bundeswehr gebärdet sich als Verteidigungsarmee. Doch das war sie nie, auch nicht vor dem von ihr geführten völkerrechtswidrigen Kosovokrieg. Jede Armee, die Menschen zwangsrekrutiert, ist gegenüber diesen Menschen eine Angriffsarmee.

Bei Menschen unterschiedlichen Alters und Geschlechts wächst jetzt die Angst, in einen Krieg gezwungen oder in Kasernen gefangen gehalten zu werden. Viele wollen jetzt einen Antrag auf Kriegsdienstverweigerung stellen. Ein Antrag auf Kriegsdienstverweigerung ist meist sinnvoll für diejenigen, die schon in die Bundeswehr geraten sind, wie Reservisten und Reservistinnen und Soldaten und Soldatinnen.

Doch diejenigen, die bisher nicht gemustert worden sind, die sogenannten Ungedienten, sind im Moment immer noch zu nichts verpflichtet. Wenn ein Ungedienter jetzt einen Antrag auf Kriegsdienstverweigerung stellt, muss er sich zunächst der Musterung unterziehen, wenn er will, dass sein Antrag bearbeitet wird, und anschließend der Gewissensprüfung. Wir raten denjenigen, die bisher das Glück hatten, von der Bundeswehr und der Musterung und der Gewissensprüfung verschont geblieben zu sein, dafür zu sorgen, dass es möglichst lange so bleibt, eventuell sogar lebenslänglich. Sie sollten sich nicht von sich aus der Bundeswehr aufdrängen, indem sie einen Antrag auf Kriegsdienstverweigerung stellen, solange die Bundeswehr von ihnen nichts verlangt.

Die staatliche Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer befreit nur von der Militärdienstpflicht, aber nicht von der Zivildienstpflicht. Und vorher muss man Musterung und Gewissensprüfung über sich ergehen lassen. Ist das erstrebenswert?

Die konsequenteste Form der Kriegsdienstverweigerung ist, sich auf nichts davon einzulassen und nach Möglichkeit die Verstrickung in das Kriegsdienstsystem zu vermeiden.

Es ist unklar, was das kommende Gesetz genau vorsehen wird, wie es in der Praxis angewendet werden wird und wie sich ein jetzt gestellter Antrag auf Kriegsdienstverweigerung später auswirken wird. Inwieweit wird der Zivildienst reaktiviert? Wie werden Fragebogenverweigerer und Musterungsverweigerer bestraft werden? Wann werden auch Frauen gezwungen werden?

Was heute richtig und ratsam ist, kann in Kürze schon falsch sein. Deshalb ist wichtig zu beobachten, was genau kommt. Eine Möglichkeit ist, einen Antrag auf Kriegsdienstverweigerung mit allen Unterlagen vorzubereiten, ihn aber erst dann abzuschicken, wenn wirklich sicher ist, dass der Antrag nötig und sinnvoll ist. Die DFG-VK ist dabei, ihre Kriegsdienstverweigerungsberatung wiederaufzubauen. Das ist leider wieder notwendig geworden. In Frankfurt hat sich gerade eine Kriegsdienstverweigerungsberatungsgruppe gebildet, die per E-Mail erreichbar ist < kdv-ffm<at>dfg-vk.de>. Noch ist das neue Wehrpflichtgesetz nicht verabschiedet. Noch ist Zeit für Protest und Widerstand sowie juristische Schritte gegen die kommende Zwangsrekrutierung.

Die Bundesregierung rechtfertigt die Zwangsrekrutierung mit der Bedrohung durch Russland, deren Angriffskrieg gegen die Ukraine sie verurteilt. Sie könnte die russische Kriegsmaschinerie unblutig schwächen, indem sie russischen Kriegsdienstverweigerern Asyl gewährt. Doch nur die allerwenigsten erhalten es. Wenn es darum geht, ihre Untertanen für Militär und Krieg zwangsweise zu rekrutieren, sind die scheinbar so verfeindeten Regierungen miteinander solidarisch.

Nein zu allen Kriegs- und Zwangsdiensten!
Keine Reaktivierung, sondern Abschaffung der sogenannten Wehrpflicht!
Menschenrecht auf Kriegsdienstverweigerung weltweit!
Asyl und Schutz für alle Menschen, die desertieren und sich dem Kriegsdienst verweigern!

“Focused on land power and working with allies and partners, LANDEURO serves to inform U.S., NATO and African audiences about the U.S. Army’s presence and purpose in the region, with a focus on enhancing lethality, advancing warfighting capabilities and ensuring readiness to respond to emerging security challenges.”

https://www.europeafrica.army.mil/LANDEURO/  gelesen 15.7.25

 

Letztes Update: 15.07.2025, 20:36 Uhr