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Rede von Dr. Gernot Lennert, Landesgeschäftsführer der Deutschen Friedensgeselllschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) Rheinland-Pfalz
beim Hiroshima-Gedenken in Mainz, 6. August 2024
Atomwaffen sind heute durch den Atomwaffenverbotsvertrag der UN einerseits rechtlich mehr geächtet denn je. Andererseits ist die Atomkriegsgefahr größer als je zuvor. Die Doomsday Clock, die Weltuntergangsuhr, die die Atomkriegsgefahr anzeigt, steht auf 90 Sekunden vor Mitternacht.
Die Ukraine hatte nach dem Zerfall die auf ihrem Territorium lagernden sowjetischen Atomwaffen, damals das drittgrößte Atomwaffenarsenal der Welt, an Russland übergeben. Im Gegenzug bekräftigten Russland, Grußbritannien und die USA im Budapester Memorandum 1994 das eigentlich Selbstverständliche: die Achtung der Souveränität und der bestehenden Grenzen der Ukraine. Diese Zusage wurde 2014 ausgerechnet von der Garantiemacht Russland gebrochen, indem Russland die Krim annektierte und mit Truppen und irregulären bewaffneten Banden im Donbas ostukrainische Separatisten unterstützte. Wie sollen jetzt noch Atommächte davon überzeugt werden, ihre Atomwaffen im Austausch gegen Sicherheitsgarantien aufzugeben?
Im Ost-West-Konflikt wurde verkündet, dass die nukleare Abschreckung einen Weltkrieg verhindere. Wir wissen, wie nah der Weltuntergang mehrmals war. Die Atomwaffen verhinderten auch nicht Kriege an der Peripherie der Blöcke. Die relativ überschaubare Bipolarität des Ost-West-Konflikts, den wir mit viel Glück überlebt haben, ist heute einem nuklearen Dschungel mit neun konkurrierenden Atommächten gewichen.
Der Angriffs- und Eroberungskrieg Russlands gegen die Ukraine zeigt, dass Atomwaffen Kriege nicht verhindern, sondern sogar ermöglichen. Russland droht immer wieder mit dem Einsatz von Atomwaffen und geht davon aus, dass es die Ukraine ungehindert angreifen kann, weil andere Staaten deswegen keinen Atomkrieg riskieren werden und die Ukraine nur begrenzt unterstützen. Atomwaffen sind ein Element der Kriegführung, selbst wenn sie nicht eingesetzt werden. Der Ukraine-Krieg kann jederzeit zum nuklearen Weltkrieg eskalieren, z.B. weil die Gegenseite falsch eingeschätzt wird oder weil ein kleiner militärischer Zusammenstoß zu einer Kettenreaktion führt oder wegen eines Fehlalarms.
Hinzu kommt, dass die geplante Stationierung von Mittelstreckenraketen und von besonders schnell fliegenden Hyperschallwaffen in Deutschland die Atomkriegsgefahr noch mehr steigert, allein schon wegen der drastisch verkürzten Vorwarnzeiten.
Deshalb fordern wir: