Deutsche Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen Mainz-Wiesbaden

25 Jahre Widerstand gegen die Atomwaffen in Büchel

Auch in Mainz!


Kundgebung

MAINZ, Freitag, 18. Juni 2021

vor dem Mahnmal St. Christoph, Christofsgasse, 15-17 Uhr

Kundgebung des Versöhnungsbunds (Regionalgruppe Mainz), unterstützt von der DFG-VK Mainz-Wiesbaden, attac Mainz, Linkswärts e.V., DKP, ver.di-Migrationausschuss Rheinland-Pfalz/Saarland u.a.



Es sprechen u.a.

Beate Körsgen, Versöhnungsbund Mainz;

Dr. Gernot Lennert, Landesgeschäftsführer DFG-VK;

Tobias Kriele, DKP

Es sollte ein Signal von Büchel ausgehen

Im Juni 1996 begannen Aktivistinnen und Aktivisten der Friedensbewegung am Fliegerhorst in
Büchel in der Eifel mit ihren Protesten für eine atomwaffenfreie Welt. 25 Jahre später sind sie
nicht müde geworden.

Das rheinland-pfälzische Büchel in der malerischen Eifel war 1996 in der politischen Diskussion völlig
unbekannt. Heute steht es auch für den friedlichen Protest für eine atomwaffenfreie Welt. Am
Fliegerhorst Büchel lagern mutmaßlich die einzigen Atomwaffen in Deutschland - 20 US-Atombomben,
die im Kriegsfall von deutschen Kampfpiloten abgeworfen werden müssten. Vor 25 Jahren, vom 14. bis
16. Juni 1996, gab es die ersten Demonstrationen dagegen.

14.-16. Juni 1996: Erste Protestaktion am Fliegerhorst Büchel.
18.-20. April 1997: Erstmals gibt es sogenannte „Aktionen zivilen Ungehorsams“, bei denen in das
Bundeswehrgelände eingedrungen wird.

Heute gibt es alljährliche Aktionswochen in Büchel.

 

Rede für die Kundgebung

25 Jahre Widerstand gegen die Atomwaffen in Büchel.

Auch in Mainz!   

18. Juni 2021 in Mainz     Rede als pdf-Datei

Ich spreche für die Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen, DFG-VK. Die DFG-VK ist in vielfältiger Weise an Aktionen gegen Atomwaffen beteiligt.

Aktive der DFG-VK aus dem ganzen Bundesgebiet kommen oft nach Büchel, um dort gegen Atomwaffen zu demonstrieren. Einige nehmen immer wieder an direkten gewaltfreien Aktionen in Büchel teil. Die oft daraus resultierenden Prozesse sind Teil ihrer Öffentlichkeitsarbeit für die Abschaffung von Atomwaffen. Einer der nächsten Prozesse wird am Donnerstag, 30. September 2021, im Landgericht Koblenz (Karmeliterstraße 14). Wie inzwischen üblich mit einer Mahnwache vor dem Gericht eine Stunde vor Prozessbeginn (13h Mahnwache, 14 h Berufungsprozess) – ein Prozess mit Ariane Dettloff von der DFG-VK Köln wegen eines Go-Ins in den Atomwaffenstandort der Bundeswehr in Büchel. Ariane fordert: "Beherbergungsverbot für Atomwaffen!"

Am Aktionstag in Büchel am vergangenen Sonntag, dem 13. Juni forderte QuattroPax, das Friedens- und Solidaritätsnetzwerk bestehend aus Friedensgruppen aus Luxemburg, dem Saarland, Rheinland-Pfalz, der belgischen Provinz Luxemburg sowie Lothringen, zu dem auch die DFG-VK Rheinland-Pfalz gehört: „Weg mit allen Atomwaffen!“ 

Die Entscheidungen über die Atomwaffenrüstung in Deutschland werden letztendlich von Bundesregierung und Bundestag gefällt. Von daher sind die kommenden Bundestagswahlen wichtig. „Atomwaffen abschaffen – aber wie?“ ist die Frage, die DFG-VK Frankfurt zusammen mit Pax Christi und dem Haus am Dom in Frankfurt in einer Podiumsdiskussion Bundestagsabgeordneten stellen wird, die in ihren jeweiligen Fraktionen Fachleute zum Thema Atomwaffen sind: Am Montag, 23. August nach Möglichkeit als Präsenzveranstaltung im Haus am Dom in Frankfurt, auf jeden Fall aber auch online.

Bezüglich Atomwaffen sind weltweit zur Zeit zwei gegenläufige Tendenzen zu beobachten: Einerseits haben wir einen gewaltigen Fortschritt bei der Ächtung der Atomwaffen im internationalen Recht erreicht: Im Januar 2021 konnten wir das Inkrafttreten des Atomwaffenverbotsvertrags der Vereinten Nationen feiern. Der Vertrag trat in Kraft, nachdem ihn 50 Staaten unterzeichnet hatten. Inzwischen gibt es bereits 54 Vertragsparteien.

Bemerkenswert ist, dass der Vertrag auf Initiative der Friedensbewegung zustande kann, namentlich dank des Engagements der Internationalen Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen, der International Campaign to Abolish Nuclear Weapons (ICAN), der dafür der Friedensnobelpreis zuerkannt wurde. Ein sehr seltener Erfolg für uns, der zu Recht im Januar gebührend gefeiert wurde.

Doch wer sich die Vertragsparteien des Atomwaffenverbotsvertrags anschaut, wird feststellen, dass genau die Staaten fehlen, auf die es ankommt: Die Atommächte und ihre Verbündeten.

Nur drei EU-Staaten haben den Vertrag ratifiziert: Irland, Österreich und Malta, die alle nicht der NATO angehören und zumindest in der Vergangenheit eine Politik der Neutralität verfolgten. Ratifiziert hat auch Neuseeland, das zwar einerseits zum harten Kern westlicher Bündnissysteme gehört, aber schon in den 1980er Jahren Atomkrieg ablehnte und z.B. Kriegsschiffen mit Atomwaffen die Nutzung neuseeländischer Häfen verwehrte und gegen die französischen Atomtests im Pazifik vorging. Diese Beispiele zeigen, dass auch Mitglieder westlicher Bündnisse und der EU den Atomwaffenverbotsvertrag unterzeichnen können.

Während Atomwaffen rechtlich zunehmend geächtet werden, ist die Atomkriegsgefahr enorm gestiegen. Das Bulletin of the Atomic Scientists zeigt seit 1947 jedes Jahr in der sogenannten Doomsday Clock, der Weltuntergangsuhr, an, wie hoch die führenden Atomwissenschaftler und –wissenschaftlerinnen die Atomkriegsgefahr einschätzen: Seit 2020 steht die Weltuntergangsuhr auf 100 Sekunden vor Zwölf. Zum Vergleich. 1981, einem der Höhepunkte des Kalten Kriegs, stand die Uhr auf vier Minuten vor Zwölf. Damals gingen hier in Deutschland Hunderttausende gegen den drohenden Atomkrieg auf die Straße. Heute, in einer viel brisanteren Situation, bewegt das Thema nur wenige, und viele von ihnen waren schon bei den Demonstrationen in den 1980ern dabei.

Damals konnte der Atomkrieg verhindert werden. 1991 wurde die Weltuntergangsuhr auf 17 Minuten vor Zwölf gestellt. Man sieht: die Welt war schon einmal weiter.

Im Ost-West-Konflikt standen sich zwei atomar bewaffnete Blöcke gegenüber, kleinere Atommächte spielten noch keine bedeutende Rolle. Doch an Stelle dieser relativ überschaubaren Blockkonfrontation haben wir heute einen atomaren Dschungel mit neun konkurrierenden Atommächten. Atomwaffen werden modernisiert und es wird suggeriert, dass mit kleineren und genaueren Nuklearwaffen Atomkrieg führbar sei. Dabei wissen wir, dass selbst ein vermeintlich begrenzter Atomkrieg, z.B. zwischen Pakistan und Indien, nicht nur Hunderte Millionen Menschen in Südasien töten würde, sondern die ganze Welt in eine Katastrophe stürzen würde: atomare Verseuchung, nuklearer Winter, infolgedessen Ernteausfälle, Hungersnöte und weltweiter Kampf ums Überleben: das Ende der menschlichen Zivilisation, wie wir sie kennen.

Rückschläge lassen sich auch an einzelnen Ländern erkennen: Nuklearwaffen werden als Überlebensgarantie gegen Angriffe durch Atommächte gesehen. Es gab aber auch Staaten, die freiwillig auf ihre Atomwaffen verzichteten: 1994 gaben die Ukraine, Kasachstan, Belarus und Südafrika freiwillig ihre Nuklearwaffen ab. Heute ruft der Präsident der Ukraine wieder nach Atomwaffen. Wie kam es zu diesem Sinneswandel? Der Ukraine wurde damals im Austausch gegen ihre Atomwaffen von den etablierten Atommächten, darunter Russland, ihre Souveränität und ihre territoriale Integrität garantiert. 2014 wurde genau diese Zusicherung gebrochen: Ausgerechnet die Garantiemacht Russland annektierte die Krim und unterstützt seitdem maßgeblich die separatistischen Republiken im Osten der Ukraine und den Krieg dort. Heute einen Atomwaffenstaat zu überzeugen, im Austausch gegen Sicherheitsgarantien seine Nuklearwaffen aufzugeben, ist dadurch schwieriger geworden.

Trotz dieser widrigen Umstände bleibt uns nichts anderes übrig, als weiterhin die Abschaffung der Atomwaffen voranzutreiben, allein aus Interesse am Überleben. Entweder wir schaffen die Atomwaffen ab, oder sie schaffen uns ab.
 
Noch einmal zur Ukraine: Auch dort gibt es Menschen, die sich gegen Krieg, Militär und Atomwaffen engagieren. Einer von ihnen ist der Pazifist und Journalist Ruslan Kotsaba. 2015 hat er den Krieg in der Ost-Ukraine verurteilt und erklärt, er werde sich einer etwaigen Einberufung verweigern und nicht auf seine "im Osten lebenden Mitbürger" schießen. Er rief seine Landsleute auf, ebenfalls den Kriegsdienst zu verweigern. Er wurde 2015 verhaftet und wegen „Landesverrats“ und „Behinderung der Tätigkeit der Streitkräfte“ zu 3 ½ Jahren Gefängnis verurteilt. Amnesty International erkannte ihn als Gewissensgefangenen an. Nach einer internationalen Solidaritätskampagne wurde er, nach 16 Monaten in Haft, vom freigesprochen und freigelassen. Der Freispruch wurde 2017 wieder aufgehoben und das Verfahren wiederaufgenommen. Die Verfolgung geht seitdem weiter, mit immer wieder neuen Prozessterminen. Der nächste Prozesstermin ist am 29. Juni. Wie schon anlässlich früherer Prozesstermine protestieren wir vor ukrainischen Vertretungen gegen diese politisch motivierte Verfolgung eines Pazifisten: Nicht nur vor der ukrainischen Botschaft in Berlin, sondern auch hier in Mainz vor dem ukrainischen Honorarkonsulat: am Mittwoch, 23. Juni um 12 Uhr auf dem Schillerplatz.

Zum Schluss noch ein Veranstaltungshinweis zu einem ebenfalls schon erwähnten Staat, der auf seine Atomwaffen verzichtet hat: Belarus - die Rolle von Frauen im friedlichen Engagement für Demokratie, am Mittwoch, 30. Juni 2021, 19 h in der ESG in Mainz.


Dr. Gernot Lennert, Landesgeschäftsführer der DFG-VK Rheinland-Pfalz

 

 

Letztes Update: 29.09.2021, 16:40 Uhr