Deutsche Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen Mainz-Wiesbaden

41. Todestag von Erwin Tinz

Gedenkkundgebung
 
MAINZ

Samstag, 18. Dezember 2021

von 11 Uhr bis 13 Uhr

vor der Alten Universität in Mainz (Alte Universitätsstraße)

Wir gedenken unseres Mitbürgers Erwin Tinz.
      
In seiner Wahlheimat Mainz lebte er als wohnungsloser Nomade im städtischen Raum. Sein angestammter Platz war vor dem Mainzer Theater. In kalten Nächten legte sich Erwin auf die warmen Abluftschächte eines benachbarten Kaufhauses zum Schlafen. Als Charakter war Erwin vielen Mainzern eine bekannte Persönlichkeit. Er hatte keine Berührungsängste, sondern legte seinen Mitmenschen gegenüber eine durchaus offene und kommunikative Art an den Tag. Erwin ergänzte durch seine Präsenz das Stadtbild um einen wichtigen
Aspekt. Er war im Grunde eine tägliche Herausforderung an das solidarische Sozialverhalten seiner Mitmenschen. Da er seine Armut nicht versteckte und somit im Konsumzentrum der Stadt für einen Widerspruch sorgte, passte er einigen Personen nicht ins Stadtbild.
 
Von Polizeibeamten wurde er, obwohl stark alkoholisiert am 11. Dezember 1980, ungeachtet der kalten Temperaturen, in den Weinbergen bei Nackenheim ausgesetzt - ohne seine Gehhilfe und den Einkaufswagen mit seinem gesamten Hab und Gut.

Am folgenden Tag wurde er, nach einer Nacht mit frostigen Temperaturen, dort tot aufgefunden. Im anschließenden Gerichtsverfahren wurden die drei beteiligten Polizisten nicht wegen fahrlässiger Tötung angeklagt, sondern lediglich wegen Freiheitsberaubung. Es gab einen Freispruch und zwei Geldstrafen zu 2000 bzw. 2400 DM. Der Richter Pohlen billigte die Mainzer Polizeimetheoden als berechtigten „Beseitigunsgewahrsam“ (FR 22.5.82).
 
Eine mögliche Kausalität zwischen der Aussetzung durch die Beamten und dem Tod von Erwin Tinz hat das Gericht nicht geprüft.
 

Wir möchten diesen Anlass nicht einfach verstreichen lassen, denn wir sehen besonders in Zeiten der Pandemie eine massive Verdrängung von Wohnungslosen aus dem städtischen Bild. Sie sind durch ständige Repressionen mit Bußgeldern bedroht, weil sie sich ordnungswidrig gemeinsam im öffentlichen Raum aufhalten - eine private Wohnung haben sie einfach nicht.
 
Wie kann es dazu kommen, dass Menschen so zu Opfern der Polizei werden? Wir sehen die Ursachen auch in den Einstellungen in der Polizei. Diese ist auch in der dunklen Geschichte der Polizei begründet. Galt Obdachlosigkeit Anfang des 19. Jahrhunderts als Straftat und wurde mit Gefängnis geahndet, wurden Obdachlose in der Nazizeit als „Asoziale“ in den Konzentrationslagern ermordet. Viele ehemalige Täter aus den Reihen der Polizei mit hochrangigen Dienstgraden, konnten in der BRD früh wieder in leitende Funktionen gelangen.
Es ist also durchaus berechtigt, hier eine Kontinuität festzustellen.
 
Wir müssen versuchen, polizeiliche Übergriffe jetzt zu stoppen!
Bleibt bei Festnahmen stehen und beobachtet den Einsatz aus größerer Distanz. Das kann Leben retten!
Seid bereit zur Demonstrationsbeobachtung, damit wir unabhängige Zeugen haben!

 
Die Gewalt, die Erwin Tinz angetan wurde, ist Ausdruck einer strukturellen Dauerkrise der Polizei, bis hin zu extremen Rechten und Rassisten in den eigenen Reihen. Nicht zuletzt öffnen nicht konsequent zu Ende gedachte und unverantwortliche Übergriffe der Polizei die Tür für Gewalt durch Neonazis gegenüber Obdachlosen und anderen schwachen Minderheiten.
 
Der Todestag von Erwin Tinz fiel in diesem Jahr auf Samstag, den 11.12.2021
 
Wir weisen auf unsere Gedenkkundgebung hin:
 
Samstag, den 18.12.2021 von 11:00 Uhr bis 13:00 Uhr
vor der Alten Universität in Mainz (Nähe Höfchen).

 
Unterstützer:

  • Armutsnetzwerk e.V.
  • Deutsche Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) Mainz-Wiesbaden
  • Rheinhessen hilft e.V.
  • Selbstvertretung wohnungsloser Menschen e.V.
  • Wohnsitzlos in Mainz e.V.

Flugblatt zur Kundgebung als pdf-Datei



 

 

Letztes Update: 15.12.2021, 19:22 Uhr