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Rede von Dr. Gernot Lennert, Landesgeschäftsführer der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) Rheinland-Pfalz
beim Hiroshima-Gedenken in Mainz, 6. August 2025
Die Weltuntergangsuhr, die Doomsday Clock die die Atomkriegsgefahr anzeigt, steht mittlerweile auf 89 Sekunden vor Mitternacht. Im Ost-West-Konflikt wurde verkündet, dass die nukleare Abschreckung einen Weltkrieg verhindere. Ein Atomkrieg konnte vermieden werden. Doch wir wissen, wie nah der Weltuntergang mehrmals war. Die Atomwaffen verhinderten auch nicht begrenzte Kriege an der Peripherie der Blöcke.
Heute erleben wir, dass Atomwaffen Krieg sogar ermöglichen. Das zeigt der Angriffs- und Eroberungskrieg Russlands gegen die Ukraine. Der Ukraine-Krieg hat nicht nur eine lange und komplexe Vorgeschichte, sondern auch eine speziell nukleare Vorgeschichte. Die Ukraine hatte die auf ihrem Territorium lagernden sowjetischen Atomwaffen, damals das drittgrößte Atomwaffenarsenal der Welt, an Russland übergeben. Im Gegenzug bekräftigten Russland, Grußbritannien und die USA im Budapester Memorandum 1994 die Achtung der Souveränität und der bestehenden Grenzen der Ukraine. Diese Zusage wurde 2014 ausgerechnet von der Garantiemacht Russland gebrochen, indem Russland die Krim annektierte und im Donbas Krieg führte. Wie sollen jetzt noch Atommächte davon überzeugt werden, ihre Atomwaffen im Austausch gegen Sicherheitsgarantien aufzugeben? Stattdessen streben nun Staaten nach Atomwaffen, um sich sicher zu fühlen.
Russlands Außenminister Lawrow drohte schon 2014 nach der Annexion der Krim mit dem Einsatz von Atomwaffen, falls die Ukraine versuchen sollte, die Krim zurückzuerobern. Die Drohungen mit Atomkrieg und Andeutungen, die auf Atomkrieg schließen lassen, wurden zum Trommelfeuer, als Russland im Februar 2022 zur Eroberung der gesamten Ukraine ansetzte. Die schrillsten Töne kommen seit Jahren von Gestalten wie dem Ex-Präsidenten Medwedew und dem Fernsehpropagandisten Solowjow. Solowjow hat im Juli damit gedroht, Berlin in eine nukleare Wüste zu verwandeln. Medwedew hat gerade den USA wegen ihrer Zoll- und Sanktionspolitik Krieg angedroht. Im November 2024 hat Russland seine Atomkriegsdoktrin weiter verschärft: Angriffe von Nichtatomwaffenstaaten, die dabei von Atommächten unterstützt werden, sollen als gemeinsamer Angriff auf Russland und damit letztendlich als Atomkriegsgrund gelten. Russland wertet es als Angriff, wenn die Ukraine mit vom Westen gelieferten Raketen mit großer Reichweite zurückschießt, während Russland es für vollkommen legitim hält, die Ukraine permanent zu beschießen und täglich ukrainisches Gebiet zu erobern. Wie absurd: Ein Aggressor, der jammert, wenn die Angegriffenen zurückschießen.
Die Atomkriegsdrohungen wirken. Russland kann die Ukraine ungehindert angreifen, weil andere Staaten aus Angst vor einem Atomkrieg die Ukraine nur begrenzt unterstützen. Ohne die russischen Atomwaffen wäre der Ukrainekrieg anders verlaufen und wäre vermutlich schon beendet. Atomwaffen sind ein Element der Kriegführung, selbst wenn sie nicht eingesetzt werden. Der Ukrainekrieg ist kein Atomkrieg, aber ein von Atomwaffen ermöglichter Krieg, der jetzt schon im vierten Jahr geführt wird. Das sollte die Bewegung für die Abschaffung von Atomwaffen nicht ignorieren.
Schluss mit den Drohungen mit Atomkrieg - von welcher Seite auch immer!
Solidarität mit allen, die sich den Kriegsmaschinerien verweigern, ob in Russland, der Ukraine oder anderswo!
Sofortiges Ende des Kriegs in der Ukraine!
Lasst uns die Atomwaffen abschaffen, bevor sie uns abschaffen!