Deutsche Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen Mainz-Wiesbaden

Nein zum russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine!
Nein zum russischen Imperialismus!

Rede von Dr. Gernot Lennert, Landesgeschäftsführer DFG-VK Rheinland-Pfalz,
bei der Kundgebung am 19. November 2022 in Mainz
am Aktionstag  Stoppt das Töten in der Ukraine! Aufrüstung ist nicht die Lösung!

Zehntausende Menschen sind im Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine bereits ermordet worden. Überall in der Ukraine bringen russische Raketen Tod und Zerstörung. Wie leicht der Krieg eskalieren kann, zeigte in dieser Woche die Raketenexplosion in Polen mit zwei Todesopfern. Die NATO hat es als Unfall gewertet, womit Krieg zwischen NATO und Russland noch einmal vermieden werden konnte. Weitere Vorfälle, die wahrscheinlicher werden, je länger der Krieg dauert, könnten jedoch zum weltweiten Atomkrieg eskalieren. Noch nie seit der Cuba-Krise 1962 stand die Welt so nah am Abgrund eines Atomkriegs. Damals wurde die Krise innerhalb von zwei Wochen diplomatisch beendet. Heute droht Russland schon seit Monaten mit Atomwaffen.

Die Vorwände mit denen Russland diesen Angriffskrieg, zu begründen versucht, sind absurd und verlogen.
Russland gibt vor, die Ukraine entnazifizieren zu wollen. Ukrainische Faschisten gibt es durchaus, sie verfügen sogar über eigene militärische Einheiten. Sie sind eine Gefahr für Andersdenkende. Das musste z.B. der ukrainische Pazifist Ruslan Kozaba erfahren, gegen dessen politisch motivierte Verfolgung durch den ukrainischen Staat wir hier in Mainz mehrfach demonstriert haben. Er wurde nicht nur 2015 wegen Äußerung seiner pazifistischen Meinung inhaftiert und danach weiterhin gerichtlich verfolgt, sondern auch zweimal von Ultranationalisten angegriffen und verletzt. Ruslan Kozaba gelang es im Oktober, die Ukraine zu verlassen. Er besuchte uns auch kurz in Mainz und lebt jetzt in den USA.

Es ist absurd und lächerlich, wenn ausgerechnet Putin die Ukraine des Neonazismus bezichtigt. Auf der russischen Seite der Front kämpfen schon seit 2014 faschistische und rechtsextreme Verbände. Putins Russland ist Zentrum der interkontinentalen Vernetzung von Rechten aller Art geworden, sowohl von offenen Faschisten als auch von rechten Parteien wie AfD und Rassemblement National. Putin ist weltweit Identifikationsfigur für weißen Rassismus und christlichen Nationalismus. Putin bekennt sich zur extrem nationalistischen Russisch-Orthodoxen Kirche und zum russischen Imperialismus und Nationalismus und orientiert sich an russischen faschistischen Ideologen der Vergangenheit und Gegenwart, darunter Aleksandr Dugin, der ein eurasisches Großreich unter russischer Führung propagiert: ein kollektivistisches, völkisches, religiöses, sozial reaktionäres kontinentales Landreich gegen Liberalismus, Aufklärung, individuelle Freiheiten, Menschenrechte und die vermeintliche moralische Dekadenz der westlichen Seemächte. Kein Wunder, dass sich deutsche Faschisten für den russischen Faschismus begeistern. Höcke schwärmt von Russlands Krieg gegen das von ihm so genannte „Regenbogen-Imperium“. Russland-Fahnen werden bei rechten Demonstrationen in Deutschland geschwenkt. Es rottet sich zusammen, was ideologisch zusammengehört. Der Wahnsinn wird immer bizarrer: Putin und sein tschetschenischer Schlächter Kadyrow faseln jetzt sogar von der Entsatanisierung der Ukraine. Patriarch Kirill bezeichnet Putin als „Chefexorzisten.“

Putin verneint das Existenzrecht der Ukraine, will sie als Staat und Kultur vernichten und beschwört die „dreieinige russische Nation“ von Russland, Weißrussland und der Ukraine. Er ließ sich schon 2014 als „Sammler russischer Erde“ feiern wie die expansionistischen Zaren im 15. Jahrhundert. Das widerspricht brutal dem Völkerrecht und dem Selbstbestimmungsrecht der Menschen in der Ukraine, die sich ganz offensichtlich Russland nicht unterwerfen wollen und von denen sich nun viele bewusst von Russland und seiner Kultur und Sprache abwenden.

Russische Nationalisten und Imperialisten beklagen, Russland würde von der NATO bedrängt und eingekreist. In der Tat hat die NATO erheblich zur Verschlechterung der Ost-West-Beziehungen beigetragen, allein schon, indem sie 1999 gleichzeitig mit der Aufnahme der ersten ostmitteleuropäischen Mitglieder unter Missachtung Russlands mit dem Kosovo-Krieg einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg führte. Es folgten der auf Lügen basierende Angriffskrieg westlicher Staaten gegen den Irak und weitere Kriege im Nahen Osten. Wichtige Rüstungskontrollverträge wurden westlicherseits gekündigt oder nicht weitergeführt. In Polen und Rumänien wurden US-Raketen stationiert. Das Rüstungskontrollsystem, das die Risiken des Ost-West-Konflikts verringerte, wurde leichtfertig beseitigt und fehlt heute.

Unmittelbar vor dem russischen Angriff 2022 forderte Putin erneut eine verbindliche Zusage, dass die Ukraine nicht in die NATO aufgenommen würde. Die NATO verweigerte dies, weil die Aufnahme auf absehbare Zeit sowieso nicht vorgesehen sei, beharrte aber prinzipienreiterisch darauf, dass die Tür zur NATO offen stünde. Was hätte es die NATO oder einzelne NATO-Mitglieder gekostet, vertraglich zuzusagen, die Ukraine in den nächsten Jahren 10 oder 15 Jahren nicht in die NATO aufzunehmen? Hätte Russland nach Erfüllung der konkreten, nachvollziehbaren, vernünftigen und leicht erfüllbaren Forderung nach Bündnisfreiheit der Ukraine trotzdem noch angegriffen? Die NATO-Staaten hätten wenigstens versuchen müssen, den Krieg zu verhindern. Sie taten es nicht.

Wichtig ist allerdings: Nichts, was seitens des Westens oder der Ukraine geschehen ist, rechtfertigt den verbrecherischen und völkerrechtswidrigen Angriffskrieg von Russland und Belarus gegen die Ukraine auch nur im Geringsten.

Man sollte sich im Putin-Lager fragen, warum so viele Staaten in die NATO streben. Warum ist die „russische Welt“ denn so unattraktiv, dass die Nachbarn Russlands, die es sich geopolitisch leisten können, nach Distanz von Russland streben, sogar das vermeintliche Brudervolk in der Ukraine?

Liegt es etwa an der Erfahrung mit russischer und sowjetischer Fremdherrschaft? An den sowjetischen Angriffen auf Polen, Finnland und die baltischen Staaten 1939/40? An Massendeportationen in Straflager? An der von Stalin organisierten Hungersnot in der Ukraine und Kasachstan? An aufgezwungenen Diktaturen und der Niederschlagung von Demokratiebestrebungen durch sowjetische Panzer? Dass Russland 2014 die Krim annektiert hat? Liegt es an Russlands Tendenz zu Despotie und Diktatur? Was hat mehr zur NATO-Osterweiterung beigetragen als die Furcht vor dem russischen Imperialismus und Expansionismus?

Die Klage über die Einkreisung Russlands durch die NATO erweist sich beim Blick auf die Landkarte als absurd: die Grenze zwischen NATO und Russland vom Schwarzen Meer nach Norwegen und über den Nordpol hinweg nach bis Alaska ist eine Linie, noch nicht einmal ein Halbkreis.

Wo hören Russlands legitime Sicherheitsinteressen auf und wo fangen imperiale Interessen an?
Hat ein Staat ein Recht auf eine Einflusszone? Völkerrechtlich und pazifistisch gesehen ist klar: Niemand hat ein Recht auf eine Einflusszone. Andere ehemalige Groß- und Kolonialmächte haben sich mit dem Verlust ihrer Imperien abfinden müssen und kooperieren friedlich mit ihren Nachbarn in Europa. Warum sollte Russland das nicht auch tun?

Wir können uns glaubwürdig gegen Einflusszonen aussprechen, schließlich lehnen wir alle Kriege und jeglichen Imperialismus ab. Unglaubwürdig ist es jedoch, wenn Staaten, die selbst äußerst empfindlich reagieren, wenn ihre Einflusszonen tangiert werden, sich scheinheilig über Russlands Ansprüche empören und hinwegsetzen. Wer selbst geopolitisch denkt und imperial agiert, muss doch wissen, wie das Gegenüber denkt und wie gefährlich es ist, die Machtverhältnisse und die Interessen der imperialen Rivalen zu ignorieren.

Man könne mit dem notorischen Lügner und Massenmörder Putin nicht verhandeln, heißt es. Mit wem denn sonst? Als ob man mit anderen Lügnern und Massenmördern nicht auch reden und kooperieren würde. Feinde kann man sich nicht wegwünschen. Über Getreideexporte und Gefangenenaustausch wurde erfolgreich verhandelt. Waffenstillstand und Verhandlungen sind unumgänglich. Je früher, desto mehr Menschenleben werden gerettet.

Beide Kriegsparteien setzen auf einen sogenannten Sieg. Das ist Massenmord mit ungewissem Ausgang, denn Kriege verlaufen selten wie geplant. Man spricht von Abnutzungskrieg. Abgenutzt werden dabei Menschen, Tag für Tag. Jeder Kriegstag erhöht die Gefahr der Ausweitung und Eskalation des Kriegs.

Staaten und internationale Organisationen müssen Diplomatie nutzen, um den Krieg schnellstmöglich zu beenden.

Unabhängig davon muss die Kriegsmaschinerie behindert und gestoppt werden: durch Verweigerung und durch Widerstand von unten. Wichtig sind vor allem die Menschen in Russland und Belarus, die für Frieden und gegen Krieg, Nationalismus, Imperialismus und Faschismus kämpfen. Sie müssen unterstützt werden.

Wir fordern: Stoppt den Krieg!

Sofortiger Waffenstillstand, damit der Massenmord so schnell wie möglich aufhört und so viele Menschenleben wie möglich gerettet werden können!

Aufnahme von Friedensverhandlungen!

Russische Truppen raus aus der Ukraine!

Mit Rücksicht auf die im kalten regnerischen Wetter frierenden Teilnehmenden an der Kundgebung wurde die Rede in verkürzter Form vorgetragen.

Letztes Update: 27.11.2022, 21:03 Uhr