Deutsche Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen Mainz-Wiesbaden

Reaktivierung des Kriegsdienstzwangs: Was tun?

Rede von Dr. Gernot Lennert, DFG-VK Mainz-Wiesbaden
bei der Kundgebung zum „Schulstreik gegen Wehrpflicht“, Wiesbaden, 5. Dezember 2025

Ich freue mich hier sprechen zu dürfen und zu erleben, dass es einen Schulstreik gegen die sogenannte Wehrpflicht gibt. Der heutige Schulstreik ist ein Akt des Zivilen Ungehorsams und ich bin beeindruckt, dass so viele Schüler und Schülerinnen unter Inkaufnahme etwaiger Nachteile sich heute bundesweit daran beteiligen.

2011 war die Zwangsrekrutierung zum Militär in Deutschland ausgesetzt worden. Niemand wurde mehr zwangsweise erfasst oder gemustert oder zu Bundeswehr oder Zivildienst einberufen, niemand kam mehr wegen Kriegsdienstverweigerung ins Gefängnis. Doch die sogenannte Wehrpflicht blieb bestehen. Männer waren und sind auch jetzt schon, vor Inkrafttreten des neuen Gesetzes zum Kriegsdienst verpflichtet. Eine einfache Mehrheit im Bundestag genügt, um den Kriegsdienstzwang zu reaktivieren. Das bahnte sich schon seit 2018 an und heute geschieht es. Es ist nicht damit zu rechnen, dass der Antrag der Linkspartei auf Abschaffung der sogenannten Wehrpflicht eine Mehrheit findet.

Warum sage ich sogenannte Wehrpflicht? Wehrpflicht und Wehrdienst und davon abgeleitete Begriffe suggerieren bezüglich des zwischenstaatlichen Verhältnisses, dass das Militär der Verteidigung diene. Allerdings haben sogenannte Wehrdienstleistende schon viele Angriffskriege geführt. Das gilt gerade für Deutschland. Im Spannungsverhältnis zwischen Individuum und Staat ist der Begriff ebenfalls abwegig. Wehrdienst leisten gerade diejenigen, denen es nicht gelungen ist, sich erfolgreich gegen die Rekrutierung zum Militär zu wehren. Deshalb verwende ich diese sachlich unzutreffenden und realitätsverschleiernden Propagandabegriffe nicht.

Die Bundeswehr hat nicht genug Kasernen, um wie früher sofort ganze Jahrgänge einzuberufen. Deshalb beginnt sie zunächst ab 1. Januar 2026 mit einem Fragebogen für den Geburtsjahrgang 2008. Für Jugendliche mit männlichem Geschlechtseintrag ist er Zwang, für Frauen freiwillig. Ab 1. Juli 2027 müssen sich alle Männer zwangsweise der Musterung durchs Militär unterziehen. Lange hieß es, dass es zunächst noch um Freiwilligkeit ginge. Doch allein schon Zwangsfragebögen und Zwangsmusterungen sind Zwang. Ein Gesetz für die Wiederaufnahme von Zwangseinberufungen ist jetzt schon eingeplant, sobald der Personalhunger der Bundeswehr nicht mehr durch Freiwillige gestillt wird. Je mehr die Kapazitäten der Bundeswehr wachsen, desto mehr Zwang ist vorprogrammiert. Und auch Ältere, die vor 2008 geboren wurden, müssen damit rechnen, dass sie militärisch erfasst und gemustert werden, sobald die Bundeswehr die Kapazitäten dafür aufgebaut haben wird.

Jede Zwangsrekrutierung ist eine Menschenrechtsverletzung und ein Akt der Gewalt. Dazu gehören Freiheitsberaubung und Aufhebung der Rechte auf Leben und körperliche Unversehrtheit, entwürdigende Musterungen, Gewissensprüfungen, Verfolgung von Verweigerung, Zerstörung von Lebens- und Berufsleben und letztendlich auch Verletzungen, Verstümmelungen, Traumata und Tod.

Die Bundeswehr gebärdet sich als Verteidigungsarmee. Doch das war sie nie, auch nicht vor dem von ihr geführten völkerrechtswidrigen Kosovokrieg. Jede Armee, die Menschen zwangsrekrutiert, greift diese Menschen an und ist ihnen gegenüber eine Angriffsarmee.

Was tun?

Ich habe gehört, dass für einige Schüler der heutige Schulstreik nicht ihr einziger Akt des Zivilen Ungehorsams bleiben soll und dass sie das Ausfüllen des Zwangsfragebogens und die Musterung verweigern wollen. Am wirksamsten sind solche Aktionen erfahrungsgemäß, wenn nicht nur einzelne für sich individuell verweigern, sondern wenn es gemeinsam und in Verbindung mit öffentlichen politischen Aktionen geschieht. Bei der Fragebogenverweigerung drohen Bußgelder. Unklar ist, wie hoch sie sein werden und wie die Bußgeldverhängung gehandhabt werden wird. Es bleibt auch abzuwarten, wie Musterungsverweigerung geahndet werden wird und ob wie früher junge Männer bei Nichterscheinen von der Polizei zur Musterung verschleppt werden. Auf jeden Fall verdienen und benötigen alle, die so mutig Widerstand leisten werden, Solidarität und Unterstützung. Darauf sollten wir uns alle hier jetzt schon vorbereiten.

Doch noch ist das Gesetz nicht in Kraft getreten. Bis dahin ist noch Zeit für Protest und Widerstand. Es sollte auch versucht werden, das Inkrafttreten auch mit juristischen Schritten zu behindern.

Viele wollen jetzt einen Antrag auf Kriegsdienstverweigerung stellen. Das ist meist ratsam für diejenigen, die schon ins Zwangssystem der Bundeswehr hineingeraten sind, für Reservisten und Reservistinnen und Soldaten und Soldatinnen. Doch alle anderen, von denen die Bundeswehr momentan noch keine Dienstleistung fordert, sollten sich gut überlegen, ob und zu welchem Zeitpunkt ein Antrag sinnvoll ist. Die staatliche Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer befreit nur von der Militärdienstpflicht, aber nicht von der Zivildienstpflicht. Und wer einen Antrag auf Kriegsdienstverweigerung stellt, muss Musterung und Gewissensprüfung über sich ergehen lassen. Wenn, im Fall dass die Bundeswehr nicht genügend Freiwillige findet, die sogenannte Bedarfswehrpflicht eingeführt würde, müssen anerkannte Kriegsdienstverweigerer mit Einberufung zum Zivildienst rechnen, der ihnen möglicherweise erspart bliebe, wenn sie keinen Antrag gestellt hätten. Denn solange die Bundeswehr nur einen geringen Teil eines Jahrgangs verkraften kann, wird sie viele Militärdienstpflichtige nicht einberufen können, so dass diese keinen Dienst leisten müssen.

Was heute ratsam erscheint, kann sich später als falsch erweisen. Deshalb ist wichtig zu beobachten, wie sich die Gesetzeslage und vor allem die Gesetzespraxis genau entwickeln. Eine Möglichkeit ist, einen Antrag auf Kriegsdienstverweigerung mit allen Unterlagen vorzubereiten, ihn aber erst dann abzuschicken, wenn wirklich sicher ist, dass der Antrag nötig ist, um dem Bundeswehrdienst zu entgehen. Letztendlich muss jeder selbst entscheiden, was seine Priorität ist: Entweder so wenig Kriegs- und Zwangsdienst, Musterungen und Gewissensprüfungen wie möglich oder die staatliche Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer. Über all das informieren wir in unserer Kriegsdienstverweigerungsberatung. Und wir helfen bei der Durchsicht der Unterlagen für die Kriegsdienstverweigerungsantragstellung. Wiesbaden wird zur Zeit von unserer regionalen Kriegsdienstverweigerungsberatungsgruppe im Raum Frankfurt abgedeckt, die per E-Mail erreichbar ist. <kdv-ffm<at>dfg-vk.de>. Es ist zu wünschen, dass sich bald auch in Wiesbaden Menschen für Kriegsdienstverweigerungsberatung finden. Mehr dazu bei uns am Infostand.

Es gibt eine wichtige Neuerung im Gesetz: Die Verweigerung der Musterung ist jetzt ein Grund, einen Antrag auf Kriegsdienstverweigerung abzulehnen. Bisher war die Musterung Voraussetzung dafür, dass ein Antrag auf Kriegsdienstverweigerung behandelt werden konnte, weil die Bundeswehr sich logischerweise nur für Taugliche interessiert, aber die Musterungsverweigerung war kein expliziter Ablehnungsgrund. Das zeigt, dass jetzt mit mehr zivilem Ungehorsam gerechnet wird. Und es ist bezeichnend fürs Kriegsdienstverweigerungsverfahren, dass jemand, der mit Musterungsverweigerung ein Zeichen gegen Krieg und Zwangsdienst setzt, gerade deswegen nicht als Kriegsdienstverweigerer anerkannt werden kann, während derjenige, der sich der militärischen Musterung unterwirft, eine Chance auf Anerkennung erhält.

Aufrüstung und Reaktivierung des Zwangs zum Kriegsdienst in Deutschland sind Teil einer europaweiten und weltweiten Militarisierung. Schon seit 2013 geht der Trend wieder in Richtung Zwangsrekrutierung und auch zur Einbeziehung von Frauen. 2026 wird der Kriegsdienstzwang auch in Kroatien und Kambodscha wieder eingeführt.

Gefährdet sind hierzulande auch Kriegsdienstverweigerer aus anderen Ländern, die Asyl suchen. Besonders die CDU fällt immer wieder mit der menschenfeindlichen Forderung auf, hierher geflüchtete Ukrainer in den Krieg zu schicken. Die Bundesregierung rechtfertigt die Zwangsrekrutierung mit der Bedrohung durch Russland, deren Angriffskrieg gegen die Ukraine sie verurteilt. Sie könnte die russische Kriegsmaschinerie unblutig schwächen, indem sie russischen Kriegsdienstverweigerern Asyl gewährt. Doch nur die allerwenigsten erhalten es. Denn Kriegsdienstverweigerung allein gilt nicht als Asylgrund. Wenn es darum geht, ihre Untertanen für Militär und Krieg zwangsweise zu rekrutieren, sind die scheinbar so verfeindeten Regierungen solidarisch miteinander.

Nein zu allen Kriegs- und Zwangsdiensten!

Keine Reaktivierung, sondern Abschaffung der sogenannten Wehrpflicht!

Menschenrecht auf Kriegsdienstverweigerung weltweit!

Asyl und Schutz für alle Menschen, die desertieren und sich dem Kriegsdienst verweigern!


Reaktivierung des Kriegsdienstzwangs: Was tun?

Rede von Dr. Gernot Lennert, Landessprecher der DFG-VK Rheinland-Pfalz

bei der Demonstration gegen „Nein zur Wehrpflicht", Mainz, 5. Dezember 2025

Ich bin beeindruckt, dass heute so viele Schüler und Schülerinnen unter Inkaufnahme etwaiger Nachteile sich am Schulstreik gegen den Zwang zum Kriegsdienst beteiligt haben.

2011 war die Zwangsrekrutierung zum Militär in Deutschland ausgesetzt worden, doch die sogenannte Wehrpflicht blieb. Heute hat der Bundestag, wie schon seit Jahren absehbar, die Reaktivierung beschlossen.

Warum sage ich sogenannte Wehrpflicht? Wehrpflicht und Wehrdienst und davon abgeleitete Begriffe suggerieren bezüglich des zwischenstaatlichen Verhältnisses, dass das Militär der Verteidigung diene. Allerdings haben sogenannte Wehrdienstleistende schon viele Angriffskriege geführt. Das gilt gerade für Deutschland. Im Spannungsverhältnis zwischen Individuum und Staat ist der Begriff ebenfalls abwegig. Wehrdienst leisten gerade diejenigen, denen es nicht gelungen ist, sich erfolgreich gegen die Rekrutierung zum Militär zu wehren. Deshalb verwende ich diese sachlich unzutreffenden und realitätsverschleiernden Propagandabegriffe nicht.

Was tun?

Es ist zu erwarten, dass einige über den Schulstreik hinaus Zivilen Ungehorsam leisten und das Ausfüllen des Zwangsfragebogens und die Musterung verweigern werden. Wir wissen noch nicht, wie hoch die Bußgelder sein werden und ob Musterungsverweigerer wie früher von der Polizei zur Musterung verschleppt werden werden. Auf jeden Fall verdienen und benötigen alle, die so mutig Widerstand leisten werden, Solidarität und Unterstützung. Darauf sollten wir uns alle hier jetzt schon vorbereiten.

Ein Antrag auf Kriegsdienstverweigerung ist meist ratsam für diejenigen, die schon in die Bundeswehr hineingeraten sind: Reservisten und Reservistinnen sowie Soldaten und Soldatinnen. Doch alle anderen, von denen die Bundeswehr momentan keine Dienstleistung fordert, sollten sich gut überlegen, ob und zu welchem Zeitpunkt ein Antrag sinnvoll ist. Das kann je nach Situation und Jahrgang unterschiedlich sein. Die staatliche Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer befreit von der Militärdienstpflicht, aber nicht von der Zivildienstpflicht. Wer einen Antrag auf Kriegsdienstverweigerung stellt, muss Musterung und Gewissensprüfung über sich ergehen lassen. Man kann auch einen Antrag auf Kriegsdienstverweigerung vorbereiten, ihn aber erst abschicken, wenn eine Einberufung zur Bundeswehr droht. Mehr dazu in unserer Kriegsdienstverweigerungsberatung. <kdv-ffm<at>dfg-vk.de>

Weltweit wird seit Jahren  aufgerüstet und die Zwangsrekrutierung wieder eingeführt, so wie gerade auch in Kroatien und Kambodscha. Kriegsdienstverweigerer aus anderen Ländern, die in Deutschland Schutz suchen, sind von Abschiebung bedroht. Die Bundesregierung rechtfertigt ihre Zwangsrekrutierung mit der Bedrohung durch Russland. Sie könnte die russische Kriegsmaschinerie unblutig schwächen, indem sie russischen Kriegsdienstverweigerern Asyl gewährt. Doch nur die allerwenigsten erhalten es. Kriegsdienstverweigerung gilt nicht als Asylgrund. Wenn es darum geht, ihre Untertanen für Militär und Krieg zwangszurekrutieren, sind die scheinbar so verfeindeten Regierungen solidarisch miteinander.

Nein zu allen Kriegs- und Zwangsdiensten!

Keine Reaktivierung, sondern Abschaffung der sogenannten Wehrpflicht!

Menschenrecht auf Kriegsdienstverweigerung weltweit!

Asyl und Schutz für alle Menschen, die desertieren und sich dem Kriegsdienst verweigern!


https://dfg-vk.de/schulstreik-und-weitere-aktionen-am-5-12/

Letztes Update: 05.12.2025, 15:39 Uhr