Deutsche Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen Mainz-Wiesbaden

Nein zu allen Kriegs- und Zwangsdiensten! Kriegsdienste vermeiden!

Rede von Dr. Gernot Lennert, Landesgeschäftsführer der DFG-VK Rheinland-Pfalz
bei der Kundgebung zum Internationalen Tag der Kriegsdienstverweigerung, Mainz, 15. Mai 2025

2011 wurde die Zwangsrekrutierung zum Militär in Deutschland ausgesetzt. Das Wehrpflichtgesetz blieb immer noch in Kraft. Männer sind zum Kriegsdienst verpflichtet. Doch seitdem ist niemand zwangsweise gemustert oder zu Bundeswehr oder Zivildienst einberufen worden, niemand kam wegen Kriegsdienstverweigerung ins Gefängnis. Die sogenannte Wehrpflicht tritt im Spannungs- und Verteidigungsfall automatisch wieder in Kraft und der Bundestag kann sie mit einfacher Mehrheit reaktivieren, was jetzt laut Koalitionsvertrag bevorsteht, allerdings in abgeänderter Form.

Warum sogenannte Wehrpflicht? Wehrpflicht und Wehrdienst und davon abgeleitete Begriffe suggerieren bezüglich des zwischenstaatlichen Verhältnisses, dass das Militär der Verteidigung diene. Allerdings haben sogenannte Wehrdienstleistende schon viele Angriffskriege geführt. Das gilt gerade für Deutschland. Im Spannungsverhältnis zwischen Individuum und Staat ist der Begriff ebenfalls abwegig. Wehrdienst leisten gerade diejenigen, denen es nicht gelungen ist, sich erfolgreich gegen die Rekrutierung zum Militär zu wehren. Deshalb verwende ich diese sachlich unzutreffenden und realitätsverschleiernden Propagandabegriffe nicht.

In Deutschland hat nach 2011 außer der AfD kaum jemand die Zwangsrekrutierung vermisst. Doch ab 2018 startete von der CDU ausgehend eine Kampagne für Zwangsdienste, die jetzt auch die Grünen erfasst hat: Anfang April 2025 forderte die bayerische Landtagsfraktion der Grünen einen „Freiheitsdienst“ für alle zwischen 18 und 67. Ein Zwangsdienst namens Freiheitsdienst! Das erinnert an den Slogan „Freedom is Slavery“ in George Orwells „1984“.

Die Bundeswehr hat nicht genug Kasernen, um wie früher ganze Jahrgänge einzuberufen. Also wurde Schweden zum Vorbild: Dort werden alle männlichen und weiblichen Jugendlichen zwangsgemustert und hinterher beruft das Militär diejenigen ein, die es haben will und quantitativ verkraften kann. Daran orientiert sich Kriegstüchtigkeitsminister Pistorius. Jetzt wird angestrebt, dass alle jungen Männer unter Androhung von Bußgeld gezwungen werden, einen Fragebogen auszufüllen. Für junge Frauen soll die Beantwortung freiwillig sein. Dann sollen ca. 10000 von der Bundeswehr Ausgewählte zur Musterung geladen werden. In den letzten Wochen hieß es, , dass es zunächst noch um Freiwilligkeit ginge. Doch allein schon ein Zwangsfragebogen ist Zwang. „Zunächst“ ist eine eindeutige Drohung. Je mehr die Kapazitäten der Bundeswehr wachsen, desto mehr Zwang ist vorprogrammiert, vor allem dann, wenn sich nicht genügend Freiwillige finden.

Jede Zwangsrekrutierung zum Militär ist eine Menschenrechtsverletzung und ein Akt der Gewalt. Dazu gehören Freiheitsberaubung und Aufhebung der Rechte auf Leben und körperliche Unversehrtheit, aber auch entwürdigende Musterungen, Gewissensprüfungen, juristische und politische Verfolgung von Verweigerung, Zerstörung von Lebens- und Berufsleben. In der Praxis führt Zwangsrekrutierung für Militär und Krieg häufig zu Verletzungen, Verstümmelungen, Traumata und letztendlich auch zum Tod.

Die Bundeswehr gebärdet sich als Verteidigungsarmee. Doch das war sie nie, auch nicht vor dem von ihr geführten völkerrechtswidrigen Kosovokrieg. Jede Armee, die Menschen zwangsrekrutiert, ist gegenüber diesen Menschen eine Angriffsarmee.

Bei Menschen unterschiedlichen Alters und Geschlechts wächst jetzt die Angst, in einen Krieg gezwungen oder in Kasernen gefangen gehalten zu werden. Viele wollen jetzt einen Antrag auf Kriegsdienstverweigerung stellen. Ein Antrag auf Kriegsdienstverweigerung ist meist sinnvoll für diejenigen, die schon in die Bundeswehr geraten sind, wie Reservisten und Reservistinnen und Soldaten und Soldatinnen.

Doch diejenigen, die bisher nicht gemustert worden sind, die sogenannten Ungedienten, sind im Moment immer noch zu nichts verpflichtet. Wenn ein Ungedienter jetzt einen Antrag auf Kriegsdienstverweigerung stellt, muss er sich zunächst der Musterung unterziehen, wenn er will, dass sein Antrag bearbeitet wird, und anschließend der Gewissensprüfung. Wir raten denjenigen, die bisher das Glück hatten, von der Bundeswehr und der Musterung und der Gewissensprüfung verschont geblieben zu sein, dafür zu sorgen, dass es möglichst lange so bleibt, eventuell sogar lebenslänglich. Sie sollten sich nicht von sich aus der Bundeswehr aufdrängen, indem sie einen Antrag auf Kriegsdienstverweigerung stellen, solange die Bundeswehr von ihnen nichts verlangt.

Die staatliche Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer befreit nur von der Militärdienstpflicht, aber nicht von der Zivildienstpflicht. Und vorher muss man Musterung und Gewissensprüfung über sich ergehen lassen. Ist das erstrebenswert? Die konsequenteste Form der Kriegsdienstverweigerung ist, sich auf nichts davon einzulassen und die Verstrickung in das Kriegsdienstsystem zu vermeiden.

Einige wollen trotz der erwähnten Zumutungen jetzt einen Antrag auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer stellen, um sicher zu sein, im Spannungs- oder Verteidigungsfall nur zum Zivildienst und nicht zum Militärdienst verpflichtet zu werden. Doch ob sich der Staat dann an seine eigenes Recht halten wird, wird nun in Frage gestellt. Der Bundesgerichtshof hat im Januar in einem Urteil, in dem er die Abschiebung eines ukrainischen Kriegsdienstverweigerers rechtfertigte, obwohl die Ukraine das Recht auf Kriegsdienstverweigerung missachtet, festgestellt, dass auch in Deutschland im Fall eines Verteidigungskriegs das Recht auf Kriegsdienstverweigerung aufgehoben werden könnte. Das ist ein verfassungswidriger und völkerrechtswidriger Frontalangriff eines der höchsten deutschen Gerichte auf das Grundrecht auf Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen.

Es ist unklar, was das neue Gesetz genau vorsehen wird, wie es in der Praxis angewendet werden wird und wie sich ein jetzt gestellter Antrag auf Kriegsdienstverweigerung später auswirken wird. Welche Jahrgänge wird es treffen? Inwieweit wird der Zivildienst reaktiviert? Wie werden Fragebogenverweigerer und Musterungsverweigerer bestraft werden? Wann werden auch Frauen gezwungen werden?

Was heute richtig und ratsam ist, kann in Kürze schon falsch sein. Deshalb ist wichtig zu beobachten, was genau das neue Gesetz bringen wird.

Eine Möglichkeit ist, einen Antrag auf Kriegsdienstverweigerung mit allen Unterlagen vorzubereiten, ihn aber erst dann abzuschicken, wenn wirklich sicher ist, dass der Antrag nötig und sinnvoll ist.

Die DFG-VK ist dabei, ihre Kriegsdienstverweigerungsberatung wiederaufzubauen. Das ist leider wieder notwendig geworden. In Frankfurt hat sich gerade eine Kriegsdienstverweigerungsgruppe gebildet. Sie ist per E-Mail erreichbar über die E-Mail-Adresse kdv-ffm<at>dfg-vk.de Die Mailadresse steht auf diesem Flugblatt, das am Stand der DFG-VK ausliegt und natürlich auch auf den Homepages von DFG-VK Mainz-Wiesbaden und DFG-VK Hessen.

In fünf Tagen, am Dienstag, 20. Mai, führt die DFG-VK Frankfurt speziell für junge Menschen eine Informationsveranstaltung durch, zu Kriegsdienstverweigerung, Kriegs- und Zwangsdiensten unter dem Titel: Was kommt auf uns zu? Es geht um Erstinformation, gegenseitigen Austausch und schließlich auch um Möglichkeiten der Gegenwehr: Um 18 Uhr im Friedensladen, Wittelsbacherallee 27, Frankfurt. Das alles ist auch auf diesem schon erwähnten Flugblatt nachzulesen. Weitere Informationen gibt es im Friedlicht, dem Infoblatt der DFG-VK Mainz-Wiesbaden, das ebenfalls am Infostand der DFG-VK ausliegt.

 

Letztes Update: 19.05.2025, 19:33 Uhr