Deutsche Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen Mainz-Wiesbaden

40. Todestag von Erwin Tinz

Gedenkkundgebung

Samstag, 12. Dezember 2020

von 12 Uhr bis 16 Uhr
vor der Alten Universität
(Alte Universitätsstraße)

in MAINZ

Wir gedenken unseres Mitbürgers Erwin Tinz. In seiner Wahlheimat Mainz lebte er als Wohnungsloser im städtischen Raum. Da er seine Armut nicht versteckte und somit im Konsumzentrum der Stadt für einen Widerspruch sorgte, passte er einigen Personen nicht ins Stadtbild.

Von Beamten des P1 Mainz 2 wurde er am 11. Dezember 1980, ungeachtet der kalten Temperaturen, in den Weinbergen bei Nackenheim ausgesetzt - ohne seine Krücke und den Einkaufswagen mit seinem gesamten Hab und Gut.

Am folgenden Tag wurde er dort tot aufgefunden. Das anschließende Gerichtsverfahren gegen die beteiligten Polizisten endete nach zwei Instanzen mit Geldstrafen zu lediglich je 40 Tagessätzen wegen Freiheitsberaubung. Das Gericht sah hingegen, mangels Beweisen, keine Kausalität zwischen der unmenschlichen Handlungsweise der Beamten und dem Tod von Erwin Tinz.

Wir möchten diesen Anlass nicht einfach verstreichen lassen, denn wir sehen gerade zu Zeiten des „Lockdown-light“, seit der ganzen Pandemie, aber auch schon davor eine massive Verdrängung von Wohnungslosen und Armut aus dem städtischen Bild. Seien es die Diskussionen um den Hopfengarten und Neubrunnenplatz oder die Bußgelder gegen Wohnungslose, die sich ordnungswidrig gemeinsam im öffentlichen Raum aufhalten - eine private Wohnung haben sie einfach nicht.

Wie kann es dazu kommen, dass Menschen so zu Opfern der Polizei werden? Wir müssen Fragen stellen nach den Ursachen für die Einstellungen in der Polizei angesichts solcher Übergriffe.

Wir sehen sie auch in der blutig dunklen Geschichte der Polizei begründet. Galt Obdachlosigkeit Anfang des 19. Jahrhunderts als Straftat und wurde mit Gefängnis geahndet, wurden Obdachlose in der Nazizeit als „Asoziale“ in den Konzentrationslagern ermordet. Viele ehemalige Täter aus den Reihen der Polizei mit hochrangigen Dienstgraden konnten in der BRD früh wieder in leitende Funktionen gelangen. Es ist also durchaus berechtigt, hier eine Kontinuität festzustellen.

Wir zeigen 2 Beispiele dafür auf:
Georg Heuser, ab 1956 Leiter des LKA in Rheinland-Pfalz:
Er war im 2. Weltkrieg im Osten direkt bei den Massenerschießungen tausender Menschen dabei und wurde wegen gemeinschaftlicher Beihilfe zum Mord und Beihilfe zum Totschlag zu 15 Jahren Zuchthaus verurteilt.
Karl Zörgiebel (SPD), nach dem 2. Weltkrieg Landespolizeipräsident in Rheinland-Pfalz und 1929 Polizeipräsident in Berlin und Organisator des Blutmai (Mai-Unruhen, bei denen die Polizei äußerst hart gegen Demonstationen vorging). Er setzte das Versammlungsverbot mit Panzern und MGs durch und ließ mit MG-Salven auf Fenster schießen, die nicht abgedunkelt waren. Nach ihm wurde eine Straße in Mainz benannt.

Wir fordern, öffentlich zu untersuchen welche Einflüsse solche hochrangige Beamte in der Aufbauphase der BRD in der Polizei verankern konnten.

Unsere Forderungen nach Aufarbeitung der Vergangenheit in den Polizeistrukturen sind wir auch den demokratisch gesinnten Polizeibeamt*innen schuldig.

Wir müssen versuchen, polizeiliche Übergriffe jetzt zu stoppen!
Bleibt bei Festnahmen stehen und beobachtet den Einsatz aus größerer Distanz. Das kann Leben retten! Seid bereit zur Demonstrationsbeobachtung, damit wir unabhängige Zeug*innen haben!


Die Gewalt, die Erwin Tinz angetan wurde, ist Ausdruck einer strukturellen Dauerkrise der Polizei, bis hin zu extremen Rechten und Rassisten in den eigenen Reihen.

Nicht zuletzt öffnen nicht konsequent zu Ende gedachte und unverantwortliche Übergriffe der Polizei die Tür für Gewalt durch Neonazis gegenüber Obdachlosen und anderen schwachen Minderheiten.

Der Todestag von Erwin Tinz fiel in diesem Jahr auf Freitag, den 11.12.2020

Es laden ein:

  • ARAK - Antirassistischer Arbeitskreis Mainz
  • Deutsche Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) Mainz-Wiesbaden
  • Die Linke Mainz/Mainz-Bingen

Flugblatt als pdf

 

Letztes Update: 21.12.2020, 13:15 Uhr