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beim Mainz-Wiesbadener Ostermarsch am 19. April 2025 bei der Abschlusskundgebung in Mainz-Kastel (die Rede wurde kommunikativ improvisiert und gekürzt auf Grundlage des hier vollständigen Manuskripts gehalten)
Guten Morgen und Willkommen, liebe Leute, beim Ostermarsch Mainz-Wiesbaden im Jahre 2025, 80 Jahre nach Beendigung des Zweiten Weltkrieges in diesen Tagen, auch in dieser Gegend hier gegen Ende März/Anfang April 1945 und der damit verbundenen Befreiung vom Faschismus am 8. Mai 1945. Richard von Weizsäcker hat den Tag als den Tag der Befreiung gewürdigt, gegenwärtige deutsche Politik schließt damalige Befreier von einer Würdigung aus – das ist eine Schande und dient den restaurativen Zwecken gegenwärtiger Kriegspolitik und Kriegsertüchtigung, die erkennbar auch eine Bildbearbeitung deutscher Geschichte verfolgt. Wir verneigen uns vor dem Opfer und dem Einsatz aller Armeen und Staaten und antifaschistischen Kämpferinnen und Kämpfer. Wenn wir heute für den Frieden kämpfen, stehen wir auf ihren Schultern - „Nie wieder Krieg, nie wieder Faschismus!“ gehören zusammen. In Deutschland ging Aufrüstung, Militarisierung immer mit Rechtsentwicklung Hand in Hand! So ist es auch heute und so wird es jetzt sein!
Mein Name ist Bernd Jacoby vom BSW in Wiesbaden und das Thema, das wir als BSW heute hier einbringen, ist die Kriegstüchtigkeit – die neue deutsche Kriegstüchtigkeit sozusagen, da ja alle wichtigen Leute und natürlich die Expertinnen(!) uns die Erkenntnis vermitteln wollen, dass „wir“ trotz aller Abermilliarden, die in die Rüstung fließen, trotz aller Statistiken zur Rüstung und Aufrüstung in der Welt, auch der ausgewiesenen Kräfteverhältnissen nach Mächten und Bündnissen, einfach nicht kriegstüchtig sind oder wären, wenn „wir“ denn den oder einen Krieg führen wollten. (...) Wollen „wir“ denn, wollt „ihr“ denn überhaupt einen Krieg führen, seid „ihr“ denn überhaupt kriegstüchtig? Ihr seid es auf jeden Fall nicht! Das sieht man doch auf den ersten Blick: Seit Jahren und Jahrzehnten rennt ihr an Ostern rum und seid regelrecht friedenssüchtig – als hättet ihr eine Art Cannabis in der Friedenspfeife geraucht! Ihr seid doch überhaupt nicht auf der Höhe unserer Zeit, oder? „Das ist eine Zeitenwende!“ hat unser kleiner, nicht immer tapferer, sozialdemokratischer Bundeskanzler Olaf Scholz am 27. Februar 2022 gesagt und also in sage und schreibe drei Tagen nach Beginn des Krieges in der Ukraine eine Art deutsches Sondervermögen an Kriegstüchtigkeit – gemessen in Euro - entdeckt und mobilisiert. Solche verborgenen Fähigkeiten entdecken „die Deutschen“ gemeinhin dann, wenn man erkennt: Der Russe, der Russe, der Russe – personifiziert im Leibhaftigen – dem Putin, dem Putin, dem Putin – er steht vor der Tür, vor „unserer Tür“! Das scheint tatsächlich „unsere“ DNA zu sein – es bedarf dieses Schlüsselreizes, damit man „was lostreten“ kann. Olaf Scholz ist demnächst in der Geschichte vergessen, nachdem er bis dato geschichtsvergessen war – mindestens im Hinblick auf die Geschichte und Bedeutung der Entspannungspolitik in der SPD und in Deutschland und Europa. Hätte ein sozialdemokratischer Bundeskanzler nicht mit Bezug darauf diesen furchtbaren Krieg in der Ukraine verhindern müssen, verhindern, resp. bald beenden können mit der Erkenntnis, dass ein Frieden in Europa unabdingbar der Beachtung der jeweiligen Sicherheitsinteressen der realen Mächte bedarf? Dass dies – und nur dies! - dem eigenen wohlverstandenen nationalen deutschen Interesse des Landes, des „Reiches in der Mitte Europas“ entsprechen würde! Scholz ist schon fast vergessen und wird jetzt in anderer Rolle vermutlich ersetzt mit dem Glorious Pistorius, dem anscheinend beliebtesten deutschen Politiker. Mit ihm, besser gesagt: Mit der neuen deutschen Regierung Merz bekommt deutsche Kriegstüchtigkeit – wieder in Euro gemessen – eine ganz andere Hausnummer, ein ganz anderes Fundament, mit nahezu einer Billion Euro zur freien Verfügung, eigentlich unbegrenzt und über dem „normalen“ Rüstungshaushalt. Dieses Fundament konnte sich bilden, weil es einen Block der „kriegstüchtigen“ Parteien von Union, SPD und Grünen gab, der diesen „Vorschuss“ für eine neue deutsche Aufrüstung und Militarisierung aus dem alten, abgewählten Parlament hinüber an die neue Regierung gewährt hat. Es ist damit das größte deutsche Aufrüstungsprogramm seit den Zeiten des Reichskanzlers Adolf Hitler objektiv gewährleistet – man sollte, man darf diese Tatsache nicht übersehen! Es ist kein Vergleich der Regierungen – davon sind wir weit entfernt – wie und wie weit, wird sich zeigen und es hängt auch von uns ab. Geschichte wiederholt sich nicht einfach. Hitler sagt zu Beginn des Zweiten Weltkriegs in seiner Ansprache vor dem deutschen Reichstag am 1. September 1939: „Über sechs Jahre habe ich nun am Aufbau der deutschen Wehrmacht gearbeitet. In dieser Zeit sind über 90 Milliarden für den Aufbau unserer Wehrmacht angewendet worden.“ In heutigen deutschen Planungen – und die haben heute einen sehr ausgearbeiteten Stand nach außen und innen; Pistorius verkündet das und man kann es recht weitgehend öffentlich nachlesen – wird oft von einem Zeitrahmen von ungefähr fünf Jahren gesprochen bis etwa 2030 und dann davon, dass „Russland, Putin“ dann in der Lage sei, „uns“ anzugreifen. Der Gedanke, der medial, man kann auch sagen propagandistisch vermittelt wird, wird sozusagen schon automatisch generiert: Ein Russe, ein Putin, der es kann, wird es auch tun! Si vis pacem para bellum „Wenn du (den) Frieden willst, bereite (den) Krieg vor.“ Das Sprichwort wird gern in unserem Zusammenhang angeführt, als Schutzbehauptung gern genommen. Dass Deutschland den Krieg in diesem ganzen Wortsinn vorbereitet – daran kann überhaupt kein Zweifel bestehen – weder nach außen noch nach innen (medial-propagandistisch, OP Deutschland, Grünbuch Zivil-Militärische Zusammenarbeit (ZMZ) mit dem tatsächlich Aufklärung bietenden Zitat: „Die sicherheitspolitische Strategie einer Pazifizierung Russlands durch enge wirtschaftliche Verflechtungen hat sich als Fehler erwiesen.“) Allein der Begriff der „Ostflanke“, also der „Ostfront“ im Zusammenhang mit der Aufstellung der deutschen Brigade Litauen muss(!) „uns“ unerträglich sein 80 Jahre nach der Befreiung vom deutschen Faschismus. Deutsche Soldaten haben weder dort noch in der Ukraine noch einmal was zu suchen! Deutsche Flieger, deutsche Marine – sie fliegen und fahren schon um die ganze Welt, üben in Hawaii und im südchinesischen Meer, auch wenn es mit dem sicheren Telefonieren manchmal hapert (glücklicherweise!) - das soll wohl alles der „Pazifizierung“ dienend sein – möglicherweise nannte man es früher einmal Kanonenboot-Politik. Kaum ist der Koalitionsvertrag fix, kommt „Taurus“ ins Spiel und eskaliert deutschen Auftritt. Wir halten fest: Es finden Friedensgespräche, wie man sie von deutscher Seite will oder lieber nicht, statt, und ein noch zukünftiger deutscher Bundeskanzler eskaliert bewusst mit technisch real vorhandenen Mitteln deutscher Kriegstüchtigkeit, die er ins Aussicht stellt! Kriegstüchtig – nicht nur in Worten, sondern in Taten! - sind auch deutsche Militärs mit dem NATO-Kommando NSATU ein paar Kilometer von hier in Wiesbaden-Erbenheim. Zuletzt hat uns ein Artikel der NYT darüber aufgeklärt, was BSW im Europa-Wahlkampf in Wiesbaden im letzten Jahr schon auf dem Plakatständer geschrieben hatte: „Im Europa-Hauptquartier der US-Army in Wiesbaden-Erbenheim wird in WAR GAMES geplant, geübt und IN AUSFÜHRUNG GEBRACHT, was an der Front in der Ukraine und auch weit in Russland wirkt und explodiert. Auch Selenskyj war in Wiesbaden und vor Ort Ende 2023.“ Am Tag nach der Zeitenwende-Rede des Olaf Scholz, am 28. Februar 2022 habe ich in einem Leserbrief an die junge Welt geschrieben: „Wie befreit! Deutschland hat sich zum Ende des Februar 2022 von allen wirksamen inneren und äußeren Limitierungen befreit, die aus dem 8. Mai 1945 resultieren, politisch-ideologisch und in Beschlüssen zur Aufrüstung und Positionierung in der Welt.“ BSW gab es damals noch nicht – soll sagen: Wir alle sollten und können gegen diese neue deutsche Kriegstüchtigkeit und -bereitschaft kämpfen und das Land von einem Kurs abbringen, der in jeder Hinsicht bedrohlich für uns und unsere Kinder und Enkelkinder ist. Empört Euch dagegen, wehrt Euch dagegen – bevor es zu spät ist!