Deutsche Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen Mainz-Wiesbaden

Asyl für alle Kriegsdienstverweiger:innen

“Stellt Euch vor es ist Krieg und keiner geht hin.”

Diesen Spruch kennen wohl die meisten von uns. Russland hat die Ukraine in einem brutalen menschenverachtenden Angriffskrieg überfallen. Viele Ukrainer würden diesen Satz als zynisch ansehen. Denn die Ukrainer müssen ja nicht zum Krieg hingehen. Der Krieg ist zu ihnen gekommen.

Sicherlich wird dieser Krieg nicht dadurch beendet werden, das keiner mehr hingeht. Die Menschen in der Ukraine kämpfen für eine Ukraine, die nicht unter russischer Knechtschaft steht. Sie kämpfen und die russischen Soldaten kämpfen auch.

Aber schön wäre es schon, wenn sie einfach mit dem Kämpfen aufhören würden. Dann gäbe es nämlich keinen Krieg. So naiv dieser Satz klingt, falsch ist er nicht.


Wir wissen, dass faktisch viele russische Wehrpflichtige gezwungen werden, Verträge als Berufssoldaten zu unterzeichnen.

Übrigens ist das Wort Wehrpflicht falsch und irreführend, denn diese Menschen leisten Kriegsdienst in einem Angriffskrieg.

Wir begrüßen jeden russischen Soldaten, der aussteigt, der nicht mehr mitmacht. Und ja, wir sollten diese Menschen in Deutschland aufnehmen. Ihnen gehört politisches Asyl - denn Kriegsdienstverweigerung ist politisch.

Wenn Krieg die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln ist, dann ist das sogar offensichtlich politisch. Ohne Menschen, die diese Politik mittragen, gibt es diese Politik nicht. Kriegsdienstverweigerer schwächen den Krieg.

Zu Anfang des Angriffskrieges wurde in vielen Medien darüber berichtet, dass viele Soldaten keine rechte Motivation zum Kämpfen hatten. Anscheinend wurden die russischen Soldaten im Vorfeld bewusst im Unklaren darüber gelassen, dass es hier nicht um ein Manöver geht, sondern um einen Angriffskrieg.

Entsprechend unmotiviert trat die russische Armee auf. Bilder von unbewaffneten Zivilisten, die Panzer zur Umkehr brachten, machten anfangs die Runde. Diese Bilder gibt es heute nicht mehr in dem Maße. Denn mehr und mehr spürten russische Soldaten, dass es nicht nur ums Töten oder Nicht-Töten geht, sondern auch darum, zu überleben. Und deswegen rufen wir den russischen Soldaten zu:

Steigt aus, macht nicht mehr mit! Wir versuchen Euch mit aller Kraft in dieser Entscheidung zu unterstützen.

Ich bin überzeugt davon, dass die brutalen Bilder von Kriegsverbrechen, die wir gesehen haben zumindest zum Teil darauf zurückzuführen sind, dass russische Soldaten ukrainische Widerstandskämpfer innerhalb der Zivilbevölkerung vermuten. Besser die als ich, werden viele denken.

Und überhaupt, was heißt hier Kriegsverbrechen? Ich habe, als ich Mitglied der DFG-VK wurde, folgende Aussage unterschrieben: “Der Krieg ist ein Verbrechen an der Menschheit.” Ja, und wenn Krieg ein Verbrechen ist, dann sind Kriegsverbrechen, Verbrechenverbrechen.

Natürlich weiß ich, dass Kriegsverbrechen eine völkerrechtliche Kategorie ist, aber wie naiv kann man denn sein, wenn man annehmen würde, im Krieg wäre die Beachtung von völkerrechtlichen Regeln von großer Bedeutung, als gäbe es eine faire Art Krieg zu machen?


Von Belarus wissen wir, dass es sich scheut, Russland militärisch zu unterstützen. Als Grund wird vermutet, dass sehr viele belarussische Soldaten sich nicht hinter Russland stellen, sondern die Bedürfnisse und Forderungen der Ukrainer unterstützen. So scheut sich Belarus, militärisch einzugreifen, damit nicht in großer Zahl Soldat:innen abhanden kommen. Die Machthaber befürchten, dass viele desertieren oder sich auf die ukrainische Seite schlagen. Auch ihnen rufen wir zu. Macht nicht mit, wenn man Euch zu kriegerischen Handlungen auffordert. Steigt aus, desertiert, verweigert diesen Krieg.

Die belarussische Organisation Nasch Dom hat die Kampagne "No Means No" ins Leben gerufen und eine Hotline eingerichtet, um Kriegsdienstverweiger:innen zu helfen.

Wir sind der Überzeugung, dass kein Staat die Macht haben darf, Menschen zu Krieg zu zwingen. Jeder Mensch hat das Recht auf körperliche Unversehrtheit. Und jeder Mensch sollte das Recht haben, nicht töten zu müssen.


Und jetzt müssen wir auch in Richtung der Ukraine schauen. Was passiert denn da? Frauen und Kinder dürfen das Land verlassen, aber die Ukraine zwingt Männer zwischen 18 und 60 Jahren im Land zu bleiben, so als sei jeder einzelne dieser Männer Verfügungsmasse dieses Staates? Ich verstehe, dass viele Ukrainer das Bedürfnis haben, sich gegen die Aggressoren zur Wehr zu setzen, aber auch die Ukraine, darf keinen Menschen zum Töten oder Getötet-Werden zwingen.

Jurij Scheljashenko von der Ukrainischen Pazifistischen Bewegung erklärte vor kurzem: „Dies ist ein Kampf der Aggressoren auf allen Seiten, ihre Opfer sind friedliebende Menschen, die von Gewaltakteuren gespalten und beherrscht werden, Menschen, die durch Zwang und Täuschung gegen ihren Willen in den Krieg hineingezogen werden, die durch Kriegspropaganda getäuscht werden, die als Kanonenfutter eingezogen und ausgeraubt werden, um die Kriegsmaschinerie zu finanzieren.“

Kein Staat steht über dem einzelnen Menschen. Jeder Mensch hat das Recht, seinen Aufenthaltsort selber zu bestimmen. Das gilt auch für die Männer in der Ukraine.

Und ja, es gibt gute Gründe für ukrainische Männer, nicht zu kämpfen:

  • Weil Kämpfen ihr Leben oder das Leben anderer gefährdet.

  • Weil Kämpfen das Leid möglicherweise verlängert und die Opferzahl erhöht.

  • Oder weil sie zu feige zum Krieg führen sind.

Ja, das sind alles gute Gründe, auch Feigheit. Denn Menschen haben das Recht, feige zu sein. Und seien wir mal ehrlich. Jeder, der diesen Wahnsinn nicht mitmacht, trägt dazu bei, dass dieser Wahnsinn aufhört.


Wir wollen aber nicht verschweigen, dass unsere Sympathien der Ukraine gehören. Man mag es drehen wie man will. Dieser Krieg ist ein Angriffskrieg. Russland ist der Aggressor.

Wir fordern Russland auf, die Truppen abzuziehen.

Nun, ich sag das hier in dem Wissen, dass meine Stimme kaum in Russland gehört wird, aber ich glaube, wenn es viele solcher Stimmen gibt, reicht unsere Stimme auch bis dorthin.

Natürlich kann es sein, dass dies in Russland als Schwäche wahrgenommen werden würde. Aber das ist falsch. Ich lasse mir von der russischen Propaganda nicht diktieren, was Schwäche ist. Menschlichkeit und Frieden zu fordern, ist Stärke.

Tun wir also das, was wir können, um an der Beendigung dieses verbrecherichen Krieges beizutragen. Verweigern wir die Lieferungen von Waffen, um den russischen Agitatoren nicht noch mehr Wasser auf ihre ideologischen Mühlen zu tragen.

Lasst uns schauen, was wir tun können, um der russischen Kriegsführung auf andere Art zu schaden.

  • Warum fließt weiterhin russisches Gas und Öl nach Deutschland und wird brav von uns bezahlt? Ja, uns würde es ein paar Prozentpunkte Wohlstand kosten, aber als eines der reichsten Länder der Welt, würde uns das nicht in den Abgrund bringen. Wir müssen nur dafür sorgen, dass die Armen in unserer Gesellschaft nicht untergehen. Wenn wir das wollen, können wir das.

  • Warum haben wir es überhaupt zugelassen, dass wir dermaßen in die Abhängigkeit von Russland gerieten? Offensichtlich war es uns egal - Hauptsache Energie.

  • Welche Konsequenzen haben wir gezogen, als 2014 Russland die Krim annektierte?

  • Wie haben wir denn auf die kriegerische Unterstützung von Russland in Syrien reagiert?

Jetzt erzählen uns - nach meiner Wahrnehmung - ausgerechnet diejenigen, denen jahrzehntelang das alles egal war, dass es keine Alternative zu Waffenlieferungen gäbe und dass es natürlich richtig ist, weiterhin Gas aus Russland zu beziehen.

Und ich will auf noch etwas hinweisen: Seit vielen Jahrzehnten zeigt es sich immer und immer wieder, das Krieg nicht zum gewünschten Ergebnis führt. Auch die westlichen Staaten haben dies immer und immer wieder feststellen können.

  • Hat der Jugoslawienkrieg zu Entspannung geführt?

  • Hat der mit herbeigelogenen Gründen geführte Irakkrieg etwas Gutes bewirkt? Ja, der Diktator Saddam Hussein ist nicht mehr. Stattdessen hat der Krieg im Irak und in Syrien wesentlich zu der Etablierung des IS beigetragen.

  • Und haben wir die Bilder bei und nach dem Abzug der westlichen Truppen aus Afghanistan vergessen? Über 20 Jahre waren westliche Truppen präsent. Offensichtlich hat es nicht zu einem demokratischen selbstverwalteten Land geführt, das die Menschenrechte der Afghanen schützt. Leute, das war im letzten Jahr. Das habt ihr nicht vergessen.

Und noch etwas: Wo ist denn unsere Empörung, wenn die Türkei nach Belieben in Syrien einmarschiert? Achso, die Türkei hat keine Atomwaffen und ist ein Nato-Staat. Ja, dann ist ja alles gut. Nein es ist nicht gut. Das war ein Scherz.

Natürlich will ich, dass Russland an Macht verliert, dass Russland Menschenrechte und Pressefreiheit achtet und demokratischer wird. Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass durch diesen - auch durch uns am Brennen gehaltenen - Stellvertreterkrieg dies nicht passieren wird. Ja, wir können Russland erheblich schwächen. Wenn man sich die Wirtschaftszahlen anschaut oder auch die Zahlen, was Russland für Rüstung ausgibt, ist Russland schwach. Aber ich bin mir sicher, wenn dieser Krieg noch lange weitergeführt wird, wird etwas Schlimmeres entstehen. Etwas mit dem wir alle nicht rechnen können.

Also lasst uns alles tun, um zur Menschlichkeit und zum Frieden zurückzukehren.

Asyl für alle Kriegsdienstverweigerer, ob Russe, Weißrusse oder Ukrainer. Informiert Euch hier und auf unseren Homepages über unsere Arbeit und die Arbeit von Connection e.V.

Unterstützt Kriegsdienstverweigerung.

Vielen Dank!

Letztes Update: 16.05.2022, 20:36 Uhr